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Whiskey Sour Cocktail Competition

Mach doch einfach mal 'nen Sour!

Bei Cocktail-Competitions dominieren in vielen Fällen Drinks ohne Säure. Vermutlich, weil die Teilnehmer sich davon „Credibility“ versprechen. Darunter leidet vor allem einer: der Sour. Ein paar Gedanken darüber, warum diese Entwicklung ziemlich merkwürdig ist. Und ein kleines Pamphlet für den Sour, diesem Ausbund an Eleganz und Vielfalt.
Dies soll kein Appell im eigentlichen Sinne sein. Aber eine Anregung. Und zwar für all die vielen mutigen, ambitionierten Wettbewerbsbartender in Deutschland. Denn, ja, auch Cocktailwettbewerbe zählen noch immer zur Bar-Branche, obwohl sie von Jahr zu Jahr mehr Gegner haben. Doch damit wollen wir uns heute einmal nicht befassen. Kommt schließlich früh genug immer wieder.

Auf die Dauer mal wieder einen Sour

Nein, heute soll es einmal um den Drink selbst gehen. Und zwar, um das vorwegzunehmen, um den Sour. Schnaps, Säure, Süße. Doch warum? Was hat das mit Wettbewerben zu tun? Das will ich erklären.
Wenn man Chefredakteur eines Magazins wie MIXOLOGY ist, kommt es regelmäßig vor, dass man als Juror zu Competitions eingeladen wird. Ich habe im Laufe der Jahre – knapp überschlagen – bei rund 20 Competitions „gejudgt“ (schlimmes Wort eigentlich) – und mir macht das wirklich Spaß! Und ich habe eine Beobachtung gemacht: Der Sour ist out, zumindest bei den Bartendern. Jedenfalls bei Cocktailwettbewerben. Eine erschlagende Anzahl jener Drinks, die man als Juror vorgesetzt bekommt, sind im Prinzip auf der Architektur eines Old Fashioned oder Manhattan aufgebaut.
Klar: Jeder Bartender will die Jury auch dadurch überzeugen, dass er so etwas wie „Bartender Drinks“ serviert – knorrige, starke Cocktails, die die Spirituosen sehr deutlich in den Mittelpunkt stellen. Das ist schön und gut. Aber es kann nicht der Königsweg sein. Denn letztlich stellt ein gut gearbeiteter Sour eine Spirituose ebenso hervorragend zur Schau.

Eine Sour-Phobie bei Competitions?

Ganz besonders ist mir die „Sour-Phobie“, wie ich sie jetzt einfach mal nenne, bei jenen Wettbewerben aufgefallen, bei denen es im Verlauf der Competition eine Etappe gibt, in der die Teilnehmer quasi spontan hinter eine Bar müssen, um einen kategoriekompatiblen Drink zu servieren – also eben gerade keine durchchoreographierte Präsentation, kein wochenlang ausziselierter Barrel-Aged-Sazerac, nein, einen Klassiker mixen, ohne Umschweife. Solch eine Etappe sollte es eigentlich bei jeder Competition geben.
Und genau jene Etappe, vor allem in der letzten Zeit, unterstreicht die Beobachtungsthese, dass viele Bartender den Irrglauben vertreten, man könne mit einem Sour keinen Blumentopf mehr gewinnen. Beim letzten Wettbewerb, den ich betreute und der eine wie oben beschriebene Challenge enthielt, ging es um American Whiskey. 15 Bartender präsentierten jeweils mit einem Drink eine bestimmte Abfüllung des Hersteller-Veranstalters.
Das Resultat? Die fünfköpfige Jury bekam acht oder neun Manhattans (inkl. diverser Twists) vorgesetzt, drei oder vier Old Fashioneds, einen Julep, zwei Highballs – und nicht einen einzigen Sour. Es gab einen Whiskey Smash, also einen Drink, dessen grundlegende Geschmacksarchitektur also prinzipiell auch auf Süße und Säure basiert. Aber nicht ein einziger Bartender hatte sich dazu entschlossen, mit einem simplen Sour zu beeindrucken.

Sour verträgt Competition – und umgekehrt 

Und das ist grässlich, oder nicht? Abgesehen davon, dass – steile These! – wahrscheinlich die allermeisten heutigen Barleute eher über einen Whiskey Sour oder Daiquiri erste Berührungspunkte mit klassischen Drinks hatten (und nicht mit einem Rapscallion oder Sazerac), will sich mir nicht erschließen, woher diese Abneigung kommt.
Sicher: Ein Manhattan oder El Presidente ist in seiner Klarheit und Fokussierung schon elegant, intensiv und sexy. Doch woher rührt der Irrtum, dass ein sauber abgestimmter (noch immer längst keine Selbstverständlichkeit in vielen Bars) Sour nicht all jene Eigenschaften ebenfalls besitzen kann? Ich wage sogar zu behaupten: Ein perfekt austarierter Sour, bei dem die Charakteristika der Spirituose lediglich durch ein wenig Zucker und Zitrone oder Limette „aufgeschlossen“ werden, zeigt mehr über die Spirituose selbst und (!) in vielen Fällen auch mehr über die Präzision, mit der ein Bartender zu Werke geschritten ist. Ein auf den Punkt abgeschmeckter Sour ist alles – nur nicht wettbewerbsunfähig.

Sour erlaubt Abgrenzung von brown, bitter & boozy

Neben den immanenten Eigenschaften sollte man zudem an die taktischen Überlegungen von so manchem Competition-Teilnehmer appellieren: Wenn ich sehe, dass vor mir schon zehn Leute die Jury-Gaumen mit (nochmal das Phil-Duff-Zitat, weil’s so schön ist) brown, bitter and boozy drinks traktiert haben, liegt es eigentlich nah, sich genau davon abzusetzen, indem man einen Sour serviert. Denn ein Sour ist nicht einfach nur erfrischend, er ist große Handwerkskunst, er ist komplex, stilsicher, à point und mondän.
Dabei braucht man ja noch nicht mal beim ganz simplen Sour halt zu machen. Warum daraus keinen Continental Sour, Elk’s Own, Nuclear Daiquiri, Tommy’s Margarita oder abgewandelten Gin Fizz (der im Prinzip ja nur die nächststehende Abwandlung des Sours ist) entwickeln?

Also für die nächste Competition…

Ganz egal, ein geiler Sour wird immer beeindrucken. Er braucht (im Gegensatz zu einem Old Fashioned) im Optimalfall nicht einmal mehr die allgegenwärtige Zeste. Und der Sour weiß das alles. Die Jury auch. Wie sieht es mit den Bartendern bei all den Wettbewerben aus?

Credits

Foto: Constantin Falk & Nils Wrage

Comments (1)

  • Stephan Körner

    Spannender Artikel mit positivem Denkanstoß – danke dafür!

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