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Obstbrand

Edel- und Obstbrände: Ist die Zeit nun endlich reif für mehr?

Roll over, Gin – say Hello, Obstbrand & Tonic? Zumindest legt diesen Schluss die neue Initiative nahe, die mit Edelbränden den Gin ablösen will. Warum einiges für diesen Mikro-Trend der Fruchtbrenner spricht – und warum er eigentlich so neu nicht ist.
Regional wollen jetzt alle. Und wenn’s noch dazu vertraut schmeckt, wundert einen nur eines: Warum erst jetzt? Denn Himbeere, Williamsbirne, Kirschli oder Enzian kennen Süddeutsche, Schweizer und Österreicher als Schnapserl nach der Wanderung oder einer Ski-Tour. Vertrautere Aromen als die mancher Gins von EDV-Quereinsteigern und Irgendwas-mit-Medien-Wochenend-Destillateuren besitzt der Edelbrand aber allemal.
Dennoch dauerte es, bis die eigentlich naheliegende Offensive Fahrt aufnahm. Und es lag nicht an den Bartendern, wie noch zu entdecken sein wird. „Im Sommer war das für uns Neuland“, berichtet etwa Georg Sulzbacher von den ersten Erfahrungen mit den „Schnaps-Tonics“ bei der Destillerie Freihof.
Vor drei Jahren startete die Rezeptentwicklung der Vorarlberger Traditionsbrennerei zu Highballs mit alpinen Spirituosen. „Anfangs mussten wir es den Leuten in die Hand drücken, doch dann brachten sie schnell andere mit zu unserem Messe-Stand.“ Natürliche Fruchtaromen in ungewohnter Form, dazu weniger Zucker als in Aperitif-Likören und ein gegenüber dem Schnaps-Vorurteil niedrigerer Alkoholgehalt dank der Filler überzeugten offenbar. Die Brecht’sche Verfremdung des Willibechers zum Longdrink-Glas, die Reinkarnation des Schnapsglases, sie gelang für den Österreicher offenbar auch aufgrund eines Themas: „Die Verwendung regionaler Zutaten“, so Sulzbacher.

Obstbrand und alpine Gewächse im Aperitif

Ganz ohne Likör geht es aber auch nicht. Denn inspiriert zu den Obstbrand-Mixturen wurde Freihof-Besitzer Johann Hämmerle vom Erfolg des „Mirtillo Spritz“ auf Basis des hauseigenen Heidelbeerlikörs. „Er hat aufgezeigt, dass man davon im Sommer viel verkaufen kann“, resümiert Sulzbacher den Relaunch. Die nächste Idee war klar: Die besten Brände mit Tonic Water oder Bitter Lemon kombinieren!
„Das trifft aktuell sicher einen Nerv in der Gastronomie“, bestätigt Herbert Reinhardt vom Wiener Fachhändler „Del Fabro & Kolarik“. Seit dem Gin-Hype sei Tonic in aller Munde, „internationale Spirituosen wie Grappa-Tonic oder Cognac mit Ginger Ale haben bislang aber wenig überzeugen können“.
Nicht ganz zu vergessen sei auch, dass selbst Pop-up-Locations und Restaurants ohne Bar die Drinks leicht umsetzen können. Zumal die Erweiterung um Kräuter oder Früchte quasi vorgegeben ist. Eine Gurke wird man im „Kirsch Tonic“ weder brauchen noch erwarten.

Birne oder Blutorange, Hauptsache ein Obstbrand-Fizz!

Ein „alter Hut“ ist die Arbeit mit Edel- und Obstbränden für Alexander Mayer. Und das nicht erst, seit er mit seinem „Cowbell“ (mit Schladerer Roter Williamsbirne und Buttermilch) 2015 die „Made in GSA“-Competition für sich entscheiden konnte. „Wir packen immer wieder gerne Obstbrände in Longdrinks. Den Williams Travels mit Williams Birnenbrand, Angostura, Vanille, Zitrone und Ginger Beer gab’s in der Hemingway Bar schon, bevor ich in Freiburg überhaupt angefangen habe, also vor 2013.“
Überhaupt bricht der heute im One Trick Pony aktive Mann aus dem Südwesten eine Lanze für die Birnenbrände. „Die Spitzen-Variante des Ramos Gin Fizz mit Williams kann ich mir auch gut mit Quittenbrand vorstellen.“ Blutorangen-Brand von Florian Faude funktioniere gut als Collins, und auch der Gurkengeist des Brenners – „als belebendes Element zu einem normalem Gin Fizz hinzugefügt“ – steht bei ihm hoch im Kurs.

Das Obstbrand-Geheimnis: Nie zu kräftig werden lassen!

Das kleine Edelbrand-Einmaleins der Bar beginnt mit einem Rechengesetz, das Sammy Walfisch so formuliert: „Die Frucht darf nie zu wuchtig werden.“ Insofern kombiniert der Wiener in seinem Botanical Garden auch nur dezente Mengen vom heimischen Brand mit den übrigen Zutaten. Beim „Zirben Smash“ sind es etwa nur 2 cl des Destillats der Latschenkiefer-Zapfen, einer alpinen Spezialität. Aber auch seine „Tiki-Beere“ kommt mit 2 cl der intensiven Vogelbeere aus der Puchheimer Destillerie aus. „Statt Orgeat liefert sie das Mandelaroma“, kann selbst der Schulterschluss zwischen Karibik-Cruise und Gipfelkreuz gelingen, so Walfisch.
Bei Puchheimer setzt man übrigens bereits den nächsten Schritt: Die Brennerei aus Attnang-Puchheim schreibt mit der „Mix it like a woman“-Competition erstmalig auch eine reine Edelbrand-Trophy nur für Frauen aus. Ob mit Initiativen wie dieser bald mehr „Obstler-Spritz“ und „Apfelbrand-Sour“ auf den Barkarten stehen werden? Wir bleiben dran.

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Foto: Shutterstock

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