Ob bei Tag oder bei Nacht, das Cœur trifft mitten ins Münchner Herz
Wenn man über das Cœur schreibt, lernt man zwei Sachen. Zum einen, dass sich der Buchstabe œ ganz einfach mit der Tastenkombination option + ö darstellen lässt (auf einer Mac-Tastatur zumindest). Und zum anderen, dass es eine Bar wie diese in München noch nicht gibt.
Die Stunde des Aperitifs
Das beginn damit, dass das Cœur eine Tages- und Aperitifbar ist, in der es keinen Aperol Spritz oder Hugo gibt. „Wir wollen hier Alternativen aufzeigen. Zwar die Stilistik aufgreifen, aber einen anderen Weg gehen und setzen beispielsweise Bèrto ein“, sagt Philipp Fröhlich. Wie schon das Trisoux betreibt er gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Benjamin Bauer das Cœur, das im September letzten Jahres im Soft Opening gestartet ist und im November offiziell eröffnet wurde.
Dass es eine Bar dieser Art geworden ist, hat mehrere Gründe. Zum einen scheint – nach vielen Jahren, in denen derartige Prognosen so wirkungslos verpufft sind wie Warnungen über Böllerverletzungen zu Silvester – tatsächlich die Stunde des Aperitifs zu schlagen. Eine Gesellschaft, die es sich nach der Coronapandemie angewöhnt hat, nicht mehr zu lange in zu dunklen und zu engen Bars zu starke Drinks zu konsumieren, sondern insgesamt ein wenig mehr zum Licht, zu Pastelltönen und in den Low-ABV-Bereich strebt, ist empfänglicher für Konzepte dieser Art. Und wo, wenn nicht hier, in der nördlichsten Stadt Italiens, kann das gelingen. „München ist Aperitifhauptstadt in Deutschland, das kann man so sagen und hat sich in den letzten Jahren auch etabliert“, meint Philipp Fröhlich und fügt augenzwinkernd hinzu: „Ein bisschen Gardasee geht hier immer.“
Das Cœur geht neue Wege
Deswegen hat sich das Duo für seine erste Expansion aber nicht an des Münchners liebstes Ausflugsgewässer begeben, sondern in die Maxvorstadt. „Hier gibt es eine Bar dieser Art nicht. Es war ein Wunschkonzept. Zusätzlich hat die Location das auch gefordert. An dem Ort war über 40 Jahre lang eine Bierboazn, die Vermieter wollten kein klassisches Nachtgeschäft“, so Philipp Fröhlich weiter. Bis Mitternacht ist die Bar trotzdem geöffnet, und da sie bereits um 8 Uhr öffnet (an Wochenenden um 10 Uhr), wagt man hier einen der wohl schwierigsten Spagate, den die Gastronomie zu bieten hat, nämlich gleichzeitig als Tages- wie Abendgastronomie wahrgenommen zu werden. Der Mensch wählt für ein abendliches Tinder-Treffen eben nicht gerne den Ort, an dem er auch seinen morgendlichen Kaffee schlürft. Human nature.
Bewerkstelligt wird das mit einem minimalistisch gestalteten Raumkonzept von Martino Hutz, das in seiner Stilistik mehr an eine Galerie erinnert als an ein kuscheliges Frühstückskaffee, sowie einem sorgfältig kuratierten Programm, was Speisen und Getränke betrifft. Mit 25 Sitzplätzen ist das Cœur überschaubar groß, aber gerade das ermöglicht eine intensivere Gastbetreuung. Das Aperitifkonzept soll schließlich nicht mit der Karte eingehämmert werden, sondern duch das eigene Gefühl der Gäste bestimmt werden. „Wir bieten leichtere Aperitif-Drinks wie beispielsweise einen Adonis Highball, aber auch klassische, boozy Cocktails“, beschreibt Philipp Fröhlich. „Unsere ersten Beobachtungen zeigen uns, dass Drinks ab 16 Uhr konsumiert werden.“
Europäisches Konzept auf der Karte
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal im Cœur ist der Fokus auf europäische Produkte. Bei allen Spirituosen oder auch den Zutaten aus der Küche, die Philipp Fröhlich mit etwas Understatement als „sehr gute Hausmannskost“ umschreibt, achtet man darauf, dass sie aus Europa kommen. „Die Ausnahme ist natürlich Kaffee“, beschreibt der Hausherr die eine Variable, um die man nicht herumkommt.
Insgesamt ist man zufrieden, wie das Cœur angenommen wird. Mit einem Winzersekt Rosé, einem Pet Nat und einem Champagner hat man drei offene Schaumwein-Positionen, mit denen ausprobiert, wie weit sich die Münchner:innen hier aus dem Aperitif-Fenster lehnen. Für die wärmeren Tage kommt dann noch ein Außenbereich mit weiteren 40 Sitzplätzen hinzu, an dem sie das noch ausgiebiger machen können.
Dann heißt es – zumindest in der Maxvorstadt – vielleicht ja bald. „Ein bisschen Cœur geht immer.“
Credits
Foto: Martino Hutz