Sake, Shōchū, Shizuku: Atushi Shimizu und seine japanische Oase in Neukölln
Die gleiche Adresse war auch schon vor dem Shizuku der japanischen Trinkkultur gewidmet – wenn auch mit einer anderen Facette als heute. Die Räumlichkeiten der Hasenheide 16 dienten einmal dem Macha-Macha, das Japan-Fans möglicherweise noch ein Begriff ist. Wo Teekenner Erik Spickschen seine Gäste damals in die japanische Teekultur einführte, komplett mit Teezeremonien im separaten Tatami-Matten-Raum, bringt Atsushi Shimizu heute in seiner Konzeptbar den Berliner:innen Sake, Shōchū und japanischen Naturwein näher.
Drinnen Japan, draußen Hasenheide
Shimizu war früher selbst Teil des Teams im Macha-Macha und ist überzeugter Gastgeber. Deshalb ergriff er im Sommer 2021, nachdem es mit dem Macha-Macha vorbei war, die Chance und übernahm die Räumlichkeiten. Er schuf einen Ort, den man – so ganz ohne Zeichen an der Tür – erst einmal entdecken muss. Er ließ den Boden anheben und zog einen langen Tresen ein. Der wird ergänzt durch wenige, aber dafür sehr große Tische – da sitzt man schon einmal mit Unbekannten Sake-Glas an Sake-Glas.
Die Farben sind neutral und der Raum erfüllt seine Vision: „Für die Inneneinrichtung habe ich meinen Freund beauftragt, und mein Ziel war es, einen Ort zu schaffen, der sich organisch anfühlt und sehr ruhig ist. Ich wollte den Gästen das Gefühl geben, dass sie in Japan sind.“
Das ist dem Gastronom, der vor 13 Jahren nach Berlin gezogen ist und aus einem kleinen Ort in der Nähe von Osaka stammt, auch gelungen. Im Sommer gibt es zusätzlich für rund 30 Gäste Platz im kleinen Gastgarten – komplett mit Teich.
Sechs Karten, viele Entscheidungen
Auf dem breiten Tresen thronen die Sake-, Shōchū- und Naturweinflaschen. Bereit, kennengelernt zu werden. Ganze sechs Karten fächern sich vor einem auf, wenn man nach dem Menü fragt: Sake, Shōchū, japanischer Naturwein, japanischer Gin, Whisky natürlich – und auch Rum. Eine Karte ist den Snacks gewidmet. „Mein Ziel war es, hier in Berlin ein Izakaya zu eröffnen. Da in der japanischen Kultur Trinken und Essen immer zusammengehören, haben wir auch eine Art ‚Hopping-Kultur‘. Das heißt, in Japan geht man auf einen Snack und ein Getränk, später in ein Restaurant und dann wieder woanders hin. Ich wollte auch einen Ort für diese Art von Hopping-Kultur schaffen“, so Shimizu über seine Vision.
Auf dem Menü finden sich eine Vielzahl saisonaler Snacks, nach ihren Zutaten benannt: „Sellerie mit Seetang und Walnüssen“, „Spinat, Shiitake und Karotte“ sowie ein Dessert mit Vanilleeis und Buchweizen. Das Saisonale ist wichtig: „Wir versuchen, so viele regionale Zutaten wie möglich zu verwenden und die japanischen Jahreszeiten auf dem Teller zu präsentieren. Denn das ist in Japan sehr wichtig und wir versuchen, das auch hier zu tun.“ Das Omakase-Menü für 82 € bringt einmal das gesamte Menü für zwei auf den Tisch.
Im Shizuku in Ruhe trinken
Zurück zu den Getränken. „Zuerst wollte ich vor allem Shōchū und hochwertigen Tee auf der Karte haben – aber ich habe gemerkt, dass es nicht so viele Gäste gibt, die daran gewöhnt sind. Also habe ich angefangen, eine größere Auswahl an Sake und Naturwein anzubieten“, kommentiert der Inhaber seine Entscheidungen. Tee gibt es zwar immer noch, aber weniger, genau wie gemischte Drinks: Die sind begrenzt auf „Chu-His“ mit Shōchū oder „Hi-Balls“ mit Whisky.
Bei den Naturweinen bleibt die Karte konsequent: Diese stammen fast ausschließlich aus Japan und haben überraschend machbare Preise. Shimizu lag es am Herzen, dass sich seine Gäste diese auch leisten können: „Die Auswahl an japanischen Naturweinen in Berlin ist sehr begrenzt, aber wir haben einen spezialisierten Importeur. Wir haben ausschließlich Naturweine aus Japan oder von japanischen Winzern aus Europa. Japanischer Wein hat einen delikateren Geschmack, er ist nicht so stark wie die europäischen Naturweine.“
Beim Sake wird es kleinteilig, er wird in die vier Gruppen „Fruity“, „Rice-y & Bold“, „Dry and Tart“ sowie „Unique“ unterteilt. Für Neu-Interessierte bietet das Izakaya mit den Sake- oder Shōchū-Flights mit jeweils drei, vier oder fünf Sorten plus den kenntnisreichen Erläuterungen von Shizuku einen guten Einstieg. Die Sake-Kenner:innen werden ebenso abgeholt, denn wichtig war für das Konzept, dass es Sake nur von kleinen Brauereien gibt. Da findet sich neben den japanischen Sake mit dem Wakaze Classic von Junmai auch einer aus Frankreich. „Ich habe versucht, Sake für die Karte auszuwählen, der hier sehr selten zu finden ist, und ich wollte auch europäischen Sake auf der Karte haben, von dem ich wirklich begeistert bin. Denn mittlerweile gibt es ziemlich viele, vor allem aus Frankreich, England, Norwegen und sogar Österreich“, so der Gastgeber.
Die japanische Landschaft im Glas
Die Shōchū-Karte teilt sich nach der Basis für den Shōchū auf: Thai Reis, Reis, Gerste, Süßkartoffel oder auch Kastanie. Diese stammen ausschließlich aus Japan, Shimizu legt Wert auf das Terroir. Dieser Ansatz zieht sich durch das Gesamtkonzept für die Bar: „Bei den Getränken und Speisen ist es mir wichtig, die japanische Natur und Landschaft zu präsentieren. Das bedeutet, dass ich Shōchū und Sake aus kleinen handwerklichen Brauereien ausgewählt habe, da kann man das Terroir richtig schmecken. Ich liebe die japanische Natur und ich kann sie in Form von Getränken hierher bringen. Deshalb schmecken die Weine, der Sake und der Shōchū auch so unterschiedlich; Denn die Natur in Japan ist anders, die Organismen, die im Spiel sind, sind anders. Es ist mir wichtig, dass meine Gäste die Natur schmecken können, also versuchen wir, die verschiedenen Regionen in den Getränken, aber auch in den Snacks widerzuspiegeln.“
Steter Tropfen höhlt den Stein …
Das Shizuku ist ein besonderer Ort, so sehr Japan spielt sich nicht oft ab in Berlin. Hier kehrt man ein und kann in Gesellschaft oder alleine trinken; was man immer tun wird: vergessen, dass draußen Neukölln ist. Und natürlich die Idee hinter dem Namen der Bar beherzigen: Shizuku heißt übersetzt „Wassertropfen“ und meint damit den Respekt für den letzten Tropfen im Glas.
Diesen hat man schon oder kann ihn hier erlernen.
Credits
Foto: Constantin Falk