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Achtung, Hamburg: das Bā Nomu lotet Grenzen aus

Konnichiwa! Miso, Marshmallow, Weizengras: Im neuen Bā Nomu in Hamburg werden kontinentale Grenzen überschritten und asiatisch inspirierte Drinks in außergewöhnlichen Trinkgefäßen serviert. Warum ist sich Bar-Inhaber Dustin Lê (früher: Heimsoth) sicher, dass sein unkonventionelles, Trend setzendes Konzept aufgeht?

„Wir sind uns überhaupt nicht sicher, ob so ein Barkonzept in Norddeutschland funktioniert“, sagt der junge Bar-Inhaber Dustin Lê ohne Umschweife. Während er einen Cocktail vom Hahn zapft und uns kurz den Halbrücken zuwendet, gibt sein Nacken einen dezenten Blitzer auf ein vermutlich rückenfüllendes Tattoo unter dem schwarzen T-Shirt frei. Der Wegbegleiter einer längeren Reise, wie wir später erfahren. Der Bartender mit den Bremer Wurzeln hat unter anderem 2016 im Londoner The Gibson gelernt, seit fünf Jahren die beiden panasiatischen Gastronomien des Familienunternehmens „Nakama“ (2017) und „Bento“ (2020) in Hamburg mit verantwortet. Im Juni 2022 haben er und seine Frau nun das Bā Nomu in Hamburg eröffnet. Mit einer fließenden Handbewegung schiebt er einen frisch gezapften Paloma mit Patròn Silver, Limette, Pink Grapefruit und Salz auf die andere Seite des Bartresens. Auffallend ungewöhnlich, sitzt der Gast hier weder tief noch hoch auf einer Sonderhöhe. – „Augenhöhe“, pointiert Lê. „Ich mag Bartresen nicht, die eine Erhöhung haben. Ebenerdig ist einladender und schicker, und der Gast sieht einfach alles, was passiert. Egal, wo er sitzt“, erklärt der optisch an den Schauspieler Michael Pitt erinnernde Mittdreißiger mit einer charismatischen Selbstverständlichkeit.

Ba Nomu. Eigentlich ganz einfach.

Bā Nomu. Was heißt das eigentlich? Ganz einfach: Bar und Drinks. Die Idee: Anders sein, verspielt, aber nicht kitschig. Im Spotlight: Asiatisch angehauchte Kreativ-Cocktails. Das Menü: Wechselnde Cocktails from Tap für das After-Work-Publikum, Low ABV & Highballs und Mocktails sowie die Signature Selection für 10 bis 14 Euro. Und „ein bisschen Barfood“, beschreibt der Inhaber die feine Foodkarte, die mit asiatischen Leckereien wie Edamame für 4 Euro, Chicken und Pork Belly Bao oder Szechuan Gyoza für jeweils 8 Euro kulinarisch aufwartet.

Das Nomu ist nach dem Nakama der zweite Streich von Dustin Heimsoth, der sich mittlerweile Dustin Le nennt
Nomu Bar: Sake im Fokus

„Das Barkonzept liegt schon seit 5 Jahren in der Schublade, wir haben bloß nie die richtige Location gefunden,“ sagt der bekennende Asien-Fan, der gemeinsam mit seiner vietnamesischen Lebensgefährtin – kennengelernt haben sich die beiden während eines Hotelleriejobs in Bremen – seit über 10 Jahren verschiedene Länder von China, Japan, Südkorea bis Vietnam bereist und berufsrisikobedingt auch die eine oder andere Bar besucht. Das „Alice“ in Seoul habe ihn stark beeindruckt, aber eigentlich sei es doch unmöglich die beste Bar des überkreativen Kontinents auszumachen – jede Location sei ein atmosphärisches Feuerwerk. Und genau diese Trinkkultur wollte er nach Deutschland bringen. Nach Hamburg.

In guter Nachbarschaft mit Löwen und Einhörnern

Die Bā Nomu befindet sich zentral in der Hamburger Innenstadt. Umgeben von zahlreichen Büros, am äußeren Ende der gastronomisch geprägten Schauenburgerstraße, zwischen dem hoch frequentierten Paddy‘s Irish Pub und einem gewissen Le Lion. Tagsüber fast unscheinbar, verwandelt sich die neu hergerichtete Außenfront im dunklen Bronzeton zum Abend hin einladend in die einzig beleuchtete Hausfassade der Straße. „Wer in unsere Bar kommt, erwartet erstmal nichts“, beschreibt Dustin den minimalistisch-hedonistischen Ansatz mit einer Kurzanekdote: „Wie letzte Woche. Kommen zwei harte Jungs, tätowiert und breit gebaut, hier rein, wählen aus der Karte den ‚They See Me Riding‘ aus Banks 5 Rum, Bacardi Ocho, Salted Miso, Limette, Kartoffelmilch und Marshmallowschaum – und plötzlich haben sie ein quietschbuntes Einhorn mit Schokorand und Marshmallowschaum vor sich stehen.“ Er lacht. „Die Jungs haben sich tierisch gefreut. Haben Fotos gemacht und auf Instagram geteilt. Bessere Werbung kannst du gar nicht haben“, strahlt der Bar-Inhaber.

Jeder Signature Cocktail bekommt seine eigene Persönlichkeit: Ein selbst kreiertes Rezept, einen sprechenden Namen, einen Twist aus asiatischen Ingredienzen wie Miso, Soja – man arbeitet gerne mit der Geschmacksrichtung Umami –, Weizengras & Co. Im Finish folgt die fantasievolle, visuelle Übersetzung mit einem originellen Trinkgefäß. Er selbst sieht seine vielschichtige Entwicklungsarbeit unaufgeregt pragmatisch: „Ich bin weder der große Philosoph, wenn es um Drinks geht, noch experimentiere ich stundenlang herum. Einmal ausgemixt, probiert, schmeckt, passt – dann ab auf die Karte.“ Die 15 Jahre Berufserfahrung stimmen ihn souverän, selbstbewusst.

They See Me Riding
Madame Lê Cocktail
Are you serious Cocktail

Nomu

Schauenburgerstraße 35
20095 Hamburg

Herausforderung ist Programm im Bā Nomu

Dabei ist sich der Bar-Inhaber seiner selbst und seiner Herausforderung durchaus bewusst. Räumt die Möglichkeit ein, dass er mit seinem unkonventionellen, asiatischen Kreativkonzept zu früh dran sein könnte. „Wie 2017 mit dem Nakama – da waren wir dem Trend auch voraus.“ Lê ist reflektiert, selbstkritisch – er lese grundsätzlich nur negative Internet-Bewertungen –, bereit sich weiterzuentwickeln. Früher sei er „brutal deutsch“ gewesen, heute – dank seiner Ehefrau und ihrem 1 ½-jährigen Sohn – in vielerlei Hinsicht gelassener.

Außer die Einrichtung seiner Bar betreffend: Denn die Bā Nomu ist die eigene Bar, die erste, die genau so ist, wie er sie haben möchte. Nach der Vorstellung des Inhabers – ebenerdig! – wird der Bartresen auf knapp 1 Meter Höhe angefertigt, die hauseigenen Barhocker aus dem Familienbetrieb konsequent gekürzt. Der für rund 30 Personen konzipierte Innenraum im edel gehaltenen Industrial Used Look drängt sich nicht auf. Hellgrauer Boden – fast im selben Ton wie die Bar –, gedeckte Wände, hochwertiges Interieur. Hocker, Stühle und Bänke gehalten in natürlichen Farbvariantionen in Ockergelb, Tannengrün und Burgunderrot. Kompakte, runde Marmortische.

Drink Sake Stay Soba: Detailverliebtheit wie das typografische Lichtschild im Rückbuffet, eine Sonderanfertigung eines polnischen Künstlers, bringen Dustins Augen zum Leuchten. Er berichtet, dass der „lustige Pole“ sogar neulich seine polnische Mama, die auf Hamburg-Durchreise war, in der Bā Nomu vorbeigeschickt habe mit den Worten „Mama, fahr da mal vorbei, die haben mein Schild.“

Ohne Faszination für den Menschen geht’s nicht

Lê hat eine Faszination für Menschen. Echte Menschen und echte Geschichten sind seine Inspiration. Mit seiner eigenen Geschichte kokettiert er nicht. Erst auf Rückfrage verrät er uns, dass ein Drachen-Tattoo nahezu seinen kompletten Rücken ziert und dass dieses ihn auf seiner persönlichen Reise begleitet. „In Bremen vorgestochen, in Vietnam ausgemalt, auf dem Schiff (der MS Europa 2) finalisiert“, und er schmunzelt: „Bei Sturm und ordentlich Wellengang. In der kleinen Kabine des Spülboys, der früher ein Studio auf den Philippinen hatte.“ Passend zur Erinnerung daran gibt es dann noch einen „Those Rainy Days“ aus Nikka Days mit gerösteter Aprikosenkern-Infusion, Ananas-Disaronno, Limette, Herbal-Milk-Stout-Reduktion, Nomu Bitter Blend und Crémant.

Gedimmte Leuchten werfen ein warmes Licht auf den Mut zur freien Raumfläche. Klar könnte man noch mehr Tische unterbringen, aber der Chef mag eben keine gequetschten Läden. Ob wir schon das Manga-Separée entdeckt hätten, fragt er. Auf den ersten Blick nicht offensichtlich sichtbar, liegt der kleine Raum für 6 bis 8 Personen in einer Nische gegenüber der Bar. Stilvoll actionreich, ausgekleidet mit Manga-Magazin Covern. Überraschungen gibt es in der Bā Nomu nicht nur im Glas.

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Übrigens: Für die nächsten 3 Monate übernimmt das Bento Lunch-Pop Up die Ba Nomu-Location um die Mittagszeit. Gäste können sich durch die panasiatische Mittagskarte probieren.

Credits

Foto: Swetlana Holz

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