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Zu Besuch in der Belgrade Urban Distillery

Branko Nesic schreibt mit seiner Belgrade Urban Distillery die Geschichte des Rakija neu

Die internationale Bar-Community hat Belgrad nicht unbedingt auf dem Schirm. Ebenso wenig die serbische Nationalspirituose Rakija. Die „Belgrade Urban Distillery“ und ihr Kopf Branko Nesic wollen das ändern. Beides. Juliane Reichert hat sich bei einem Besuch in der serbischen Hauptstadt von diesem Versuch überzeugen lassen.

Eines vorweg: Wer in Belgrad meint, er oder sie müsse außerhalb eines Supermarktes auf einem Markt- oder Straßenstand „Wasser“ aus aus nicht etikettierten Plastikflaschen kaufen, kann sich eines gewahr sein: Es handelt sich um Rakija (serb. auch Rakia).

Der mitunter zurecht in Verruf geratene „Obstler“ war seit jeher eines jener Nationalgetränke, ohne die kein Fest stattfindet, sei es eine Hochzeit oder Beerdigung, sei es in der Hauptstadt oder im tiefsten Nirgendwo jenseits der Donau. Wie das nun aber so ist mit Getränken, die, sagen wir einmal, die Jugendjahre „geprägt“ haben, haben genau die es schwer mit dem Weg an die Bar, da Ruf wie Renommee mit dem für die Masse in minderwertiger Qualität produzierten Nationalgetränk sinkt – oder für ein Alkoholproblem steht.

Branko Nesic liebt Rakija in allen Facetten
Branko Nesic liebt Rakija in allen Facetten
Für die Herstellung in der Belgrade Urban Distillery werden ausschließlich sonnengereifte und handverlesene Früchte regionaler Streuobstwiesen verwendet
Für die Herstellung werden ausschließlich sonnengereifte und handverlesene Früchte regionaler Streuobstwiesen verwendet

Belgrade Urban Distillery gibt es seit 2019

Bis da eben ein Branko Nesic daherkommt, um, gemeinsam mit seiner Frau Lena, das komplette Konzept des herkömmlichen Rakija auf den Kopf zu stellen. Als Belgrader Rakija-Größe bekannt als „Branko“, hat er im Jahr 2019 die Belgrade Urban Distillery eröffnet, und somit die Nachfolgerin der Rakia Bar – die das Paar 13 Jahre zuvor dort etabliert hatte. Es scheint, in diesem Leben geht es zwei Menschen vor allem um Rakija.

Die Destillerie steht in einem der Stadtteile der Kapitale, namentlich Dorćol, das außerdem Pioniere der Belgrader Braukunst beheimatet, sowie des allerersten Kafanas der Stadt; das „Kafana“ ist eine typische serbischen Kneipe und wichtigster Ort der Zusammenkunft: hier spielt im wahrsten Sinne des Wortes die Musik, hier wurden bereits Kriege beendet und sie ist die Wiege der serbischen Dichtung.

Wo solche Orte entstehen, lässt sich auch Schnaps brennen, sagten sich der ehemalige Ökonom und seine Frau. Diese fragte ihn vor 16 Jahren, was er liebte, und er sagte „Rakija“ – damit war die Sache eigentlich getrunken. Und zwar in Form von Sljivovica, Dunjevaca oder auch Orahovaca, das sind Pflaumenbrand, Quittenbrand und Walnusslikör.

Aufgeteilt in die „Branko Rakias“, nämlich sieben Fruchtbrände, in „Belgrade Urban Distillery Spirits“, neun Liköre sowie dem „Rakia Gin“, liegt es Branko ganz besonders am Herzen, dem Rakija zu dem Ruf zu verhelfen, den er in seinen Augen verdient hat. Denn nach wie vor wird das Brennen von Rakija meist privat betrieben oder lediglich im Billigsegment angeboten. Er verwendet somit ausschließlich sonnengereifte und handverlesene Früchte regionaler Streuobstwiesen, zumeist selbst angebaut im südlich gelegenen Surdulica, und brennt diese in der sich ebenso dort befindlichen ursprünglichen Destillerie. Zur Reifung in Holzfässern kommen die Rakijas dann in die Belgrade Urban Distillery, was etwa im Falle des preisgekrönten „Rakija od Šljive – Branko“ schon einmal bis zu zehn Jahre sein können. Dementsprechend sind gerade Freunde des Whiskys oder auch des Cognacs hiermit leicht zu locken.

Branko sucht die Nähe der Barszene
Branko sucht die Nähe der Barszene
Ausgiebige Verkostungen sind in der Belgrade Urban Distillery möglich und erwünscht

Traditionelles modern interpretieren

Nun ist jedoch Slivovitz nicht gerade etwas, von dem noch keiner gehört hat; es braucht daher neue Lockmittel und, wie so oft, liegen diese in der Kommunikation. „Zu Beginn waren wir recht schüchtern und kleinlaut, aber wir werden jeden Tag lauter“, so Branko. „Immerhin sind wir die ersten, die Cocktails mit Rakia machen, und mit den neuen Generationen an Bartendern, die es geben wird, dehnen sich auch die Kombinationen von Zutaten aus.“

Sichtbar wurde dies etwa an der seitens der Belgrade Urban Distillery veranstalteten „Branko Rakia Challenge“, zu der Bartender eingeladen wurden, mit dem Rakija od Šljive – Branko (mit 50% Vol.) einen Cocktail zu mixen und mit Eis zu servieren. „Wir haben die Competition verstanden als eine Art Ankündigung für die Belgrade Bar Show im April, und so konnten wir mit einem Schlag Rakia und die Belgrader Barszene bewerben. Unser Gewinner der Rakia Challenge war mit uns beim BCB und hat seinen Cocktail gemixt – er heißt ‘Serbian King’. Bis allerdings jeder verstanden hat, dass Rakia eine ganz hervorragende Cocktail-Zutat ist, wird es gewiss noch eine Weile dauern.“

Derzeit beginnt Branko mit seiner Crew, den US-Markt zu erklimmen und feiert bereits in elf anderen Ländern Erfolge mit seinem Rakija, gerade in Deutschland, Frankreich, der Schweiz, Slowenien oder Bulgarien. Immer wieder geht es darum, Rakija als Kategorie vorzustellen, allem voran natürlich die eigenen Destillate, diese als Zutat im Drink zu verstehen und die Möglichkeiten für Food-Pairings mit Rakija aufzuzeigen. „Es ist ein spannendes Abenteuer, etwas, das absolut traditionell serbisch ist und womit man aufgewachsen ist, einem anderen Land auf moderne Weise zu präsentieren“’, erzählt Branko. Wie, wann und mit was also Rakija konkret trinken? Immer mit Essen, empfiehlt er. Klarer Rakia, der nicht im Holzfass gelagert ist, hält er gekühlt für einen fantastischen Aperitif, den gereiften hingegen für einen Digestif. Er persönlich präferiert kleine Vesperplatten und Rakija für die beste und auch traditionellste Kombination.

Eine Cocktailbar sowie ein Restaurant gehören zum Ensemble dazu
Eine Cocktailbar sowie ein Restaurant gehören zum Ensemble dazu

Neues Projekt der Belgrade Urban Distillery: Kaffee wie es ihn noch nie gab

Nun besteht die Belgrade Urban Distillery jedoch nicht lediglich aus einem Fasslager, Laborräumen, in denen die Entwicklung der Obstdestillate minuziös verfolgt und gesteuert wird, und einer pittoresken Tasting Bar. Da wäre auch noch eine Cocktailbar sowie ein Restaurant, beides in einer stilvollen Mischung aus Industrial und Food Market. Dort gibt es besagte Platten, Rakija mit und ohne Drinks en masse, aber auch mal einen Schluck Kaffee.

Apropos Kaffee: Brankos jüngstes Projekt besteht daraus, fassgelagerten Kaffee herzustellen, der in serbischen Eichenfässern reift, die vorher für besagte Branko Premium Rakias verwendet wurden. Die rohen Bohnen werden ins Fass gefüllt und saugen dort die Rakija-Aromen auf, dann werden sie geröstet und gemahlen. „So einen Kaffee gab es noch gar nie“, so Branko. Sein nächstes Projekt ist das Bottling aller Branko Rakia Cocktails bis Jahresende, um dann in einem Cocktail-Buch aufzuzeigen, was dieser symbiotische Ort zu bieten hat.

Sehr wahrscheinlich werden damit nämlich neue Brücken geschlagen und neue Drinks gedacht, auch jenseits der Belgrader Bar-Community. Sein Stolz, mit den Branko Rakijas aber zunächst in der heimatlichen Szene Fuß gefasst zu haben, ist schwerlich übersehbar und so gibt es wenige hochkarätige Bars in der Stadt, die auf seinen Rakija verzichten.

Wann immer Branko die Möglichkeit hat, bewegt er sich im Zirkel seiner Lieblingsbars, wie etwa Lenja Buba, Kultura Bar, Druid, Hanky Panky, Riddle, Barblija oder BKK. Mit auf den Weg gibt er, dass alle Mixology-Leser:innen schleunigst nach Belgrad kommen mögen. Tatsächlich gibt es Direktflüge, Ajvar zum Hineinlegen, und eine Naturweinszene, die gerade erst in den Kinderschuhen steckt – und zugleich schon immer da war.

Credits

Foto: Belgrade Urban Distillery

Comments (1)

  • Thorsten G.

    Kriegt man die Sachen auch in Deutschland?

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