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Copenhagen Beer Celebration: drei, zwei, eins – go!

Die von Mikkeller organisierte Copenhagen Beer Celebration gilt als eines der besten Craft Beer-Events der Welt. Wenn nicht das beste. Warum eigentlich? Und: Wie isses da so? Ein Lokalaugenschein auf einer Veranstaltung, auf der die Zeit tickt. Unaufhörlich und erbarmungslos. Aber auch unterhaltsam.

Der Biermensch an sich ist ein unaufgeregter Zeitgenosse. Lautes „Woohoo!“ und aufgekratztes Excitement ist mehr so Champagner. Umso erstaunlicher, was an diesem Wochenende in Kopenhagen geschah: Tausend Biermenschen stehen vor den Øksnehallen nahe des Hauptbahnhofes Schlange. Fünf Minuten vor Zehn: aufgekratztes Excitement. Zehn Uhr: Woohoo! Die Eingänge öffnen sich. Ticket scannen, Bändchen um, Standplan, Verkostungsgläschen und schnell, schnell rein da. Die fünfte Copenhagen Beer Celebration hat begonnen.

Die CBC hat den Ruf, eines der spektakulärsten und besten Craft Beer Events der Welt zu sein. Grund dafür ist ihre Exklusivität an allen Ecken: Organisiert wird das zweitägige Event von Mikkeller. Der Gründer der dänischen Gypsie-Brauerei, Mikkell Borg Bjergsø, gilt selbst als einer der besten und virtuosesten Craft Beer-Brauer weltweit. Er und sein Team allein entscheiden, wer bei der CBC ausschenken darf – und wer nicht. Brauereien kommen „by invitation only“, wie Jacob Gram Alsing, Bjergsøs erster Offizier und Operations Manager bei Mikkeller, erklärt. Man kann keinen Stand buchen und sich noch nicht einmal um eine Teilnahme bewerben. Mikkel sagt: “Brauer, du bist dabei!” – oder eben nicht. “Wir wählen nach Qualität und Kreativität aus”, sagt Alsing, “und haben eine lange Warteliste voller großartiger Brauer für die kommenden Jahre.“

SCHÖN VOLL DA

Was die Besucher angeht, ist es ebenfalls schön knapp, das alles: Die CBC besteht aus vier Sessions à vier Stunden, die erste Freitag von 10 bis 14 Uhr, die zweite von 16 bis 20 Uhr, Samstag dasselbe noch mal. Am Ende jeder Session ist Schluss, so richtig, mit Aus-Dem-Saal-Kehren und so weiter. Pro Session verkauft Mikkeller 2.500 Tickets – online und ein halbes Jahr im Voraus, 85 Prozent der Karten gehen ins Ausland. Dieses Mal hat es keine zwölf Minuten gedauert, bis die erste Session ausverkauft war. Theoretisch könnten 10.000 Leute pro Jahr die CBC besuchen. Praktisch sind es aber weniger: „Wir verkaufen sehr viele pink Tickets“, sagt Alsing. Das sind die für alle vier Sessions. Preis: gut 250 Euro. (Die Einzelsessions kosten 64  Euro.)

Nicht zuletzt sind auch die Biere auf der CBC urexklusiv: Alle 65 Brauereien haben insgesamt acht verschiedene Biere dabei, zwei pro Session. Und zwar je nur ein Fass. Was weg ist, ist weg. Ist ein Fass leer, wird kein neues angeschlossen.

Das klingt nach Druckbetankung. Vier Stunden Zeit, um 64 Euro wieder rein zu saufen? Muss man sich ranhalten. Vor allem in 5 cl-Schlückchen. Das nämlich ist die Ausschankgröße auf der CBC. Mehr kriegt keiner, ginge auch kaum in das vom Mikkellers Haus- und Hofgrafiker Keith Shore verzierte Verkostungsglas. Gläschen. Wirklich: Es kommt einem winzig vor, wenn man aus einem Land kommt, in dem auf Craft Beer-Events gerne auch 0,3 l ausgeschenkt werden. Und komisch sehen die Puppengläser auch aus, wenn dicke, bärtige Männer sie mit abgespreiztem kleinen Finger vor sich hertragen. Mit Stolz und vor allem Vorsicht: Wer sein Glas runterschmeißt, muss für ein Neues 100 DKK  – das sind rund 14 Euro –   löhnen.

I FOUND MY THRILL ON BLUEBERRY HILL

Für 64 Euro muss man ziemlich viel Bier trinken – oder ziemlich rares. Brauer, die zur CBC eingeladen sind, lassen sich natürlich nicht lumpen und bringen das Beste vom Guten im Lagerkeller mit. Und so gibt es in der blauen Session 2016 zum Beispiel ein unfassbar blaubeer-käsekuchenartiges Blueberry Cheesecake Stout von Omnipollo aus Schweden, ein schwindelerregend hopfiges Imperial IPA von 3 Floyd’s, „Parabola“, ein fassgelagertes Russian Imperial Stout von Firestone Walker mit schier unglaublichen 14 % Vol. und Sauerbiere von Sante Adairius, die es nirgendwo außerhalb Kaliforniens zu kaufen gibt.

Manch aufgeregter Biermensch ist im ersten Moment überfordert: Wo anfangen? Was trinken wir dann? Nur der vorausschauende Trinker hat Bierliste und Lageplan im Vorfeld studiert – und weiß, wohin steuern. Andere stehen ratlos zwischen so vielen Bieren und Biertischen. Daneben gibt es Hot Dogs und Kaffee, es dudelt Hintergrundmusik und tätowieren lassen kann man sich auch, aber das ist alles eher nebensächlich. Die CBC ist keine Party und kein Festival im weiteren Sinne. Hier geht’s ums Wesentliche. Bier. Und sonst nicht viel.

Passend dazu: der Auftritt der Brauereien. Der nämlich ist so einheitlich wie bescheiden. Je zwei Brauer teilen sich einen Tisch, jeder hat eine Zapfanlage mit zwei Hähnen vor sich, Namens- und Bierschilder sehen alle gleich aus, es gibt keine Werbebanner, keine Aufsteller, keine besondere Standgestaltung, nichts. Jeder ist einer von vielen beim Treffen der wahnwitzigen Biere. Die Veranstalter der CBC kaufen den Brauereien diese Biere im Vorfeld ab. Standmieten fallen keine an. Damit unterschiedet sich die CBC grundlegend von anderen (dafür aber eben oft für den Besucher freien) Craft Beer-Events, wo Brauer ihre Teilnahme bezahlen und ihre Biere direkt an die Besucher verkaufen – bisweilen mit einer Umsatzbeteiligung des Veranstalters und dem Risiko: Kommen genügend? Regnet’s? Ist mein Standplatz günstig?

DIE UHR TICKT

Aber auch die Besucher sind anders als auf Bierfesten. Für einen guten Teil ist die CBC nämlich serious business. Craft Beer Geeks reisen in Gruppen und mit Laptops voll komplizierter Excel-Sheets an, um probierte Biere einzutragen. Sie schwärmen strategisch aus, um Biere ran zu holen und sind – daran erkennt man den wahren Profi – mit Wasser und Crackern ausgerüstet. Und sie sehen gestresst aus. So, als wäre das hier alles echt kein Spaß. 130 Biere. Pro Session. Nur vier Stunden. Zeit läuft. Und immer wieder das Dilemma: Jetzt zehn Minuten bei Omnipollo für ein „Anagram“ anstehen? Zehn Minuten, in denen man sowohl das Tripel IPA bei Edge als auch das „Perdon My French“ von To Øl an den Ständen daneben trinken, pardon, verkosten könnte? Das allerdings dann auf die Gefahr hin, dass Anagram später weg ist? Hölle! „Und irgendwann kann man ja dann auch nicht mehr wirklich etwas schmecken. Das ist irgendwie echt zu groß geworden“, jammert ein kundiger Besucher, der auch die letzten beiden Jahre schon dabei war. Da waren es noch um die 40 Brauereien.

2014 war Sebastian Sauer mit Freigeist Bierkultur einer von denen. Die einzige deutsche Beteiligung auf der CBC seither. Das lässt Rückschlüsse auf den Stand der deutschen Craft Beer Entwicklung zu, natürlich.

Die meisten Besucher allerdings lassen sich nicht so stressen. Der Saufdruck, die 64 Euro reinzuholen, legt sich ebenso wie die Panik, eine der gefeierten Brauereien zu verpassen, nach der ersten Stunde. Manche haben dann sogar richtig Spaß. Und einige gegen Ende richtig einen sitzen. Vor dem Ausgang der Halle sieht es ein klitzebisschen aus wie hinter dem Bierzelt auf der Wiesn. Leute, die da erst mal sitzen müssen, weil sich kurzzeitig alles dreht. Und das ist doch eine schöne Erkenntnis: Bei allem Woohoo ist auch die Copenhagen Beer Celebration am Ende auch nur ein Bierfest, das wie alle ganz schön schwindelig machen kann.

Credits

Foto: Foto via Mikkeller.

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