Inventur am 20. September 2020 – Bar „Katze“ in Hamburg vorerst geschlossen & Lemonaid setzt Julia Klöckner ein Denkmal
Da ist sie, unsere letzte „Inventur“ im offiziellen Sommer dieses merkwürdigen Jahres. Über den nahenden, kalten Herbst und seine Herausforderungen für die Bars haben wir schon mehrfach gesprochen, etwa zu den Themen Reservierungspolitik und einer potentiellen neuen Speakeasy-Kultur.
Musik- und Kulturbegeisterte wissen außerdem: Der Übergang vom Sommer zum Herbst ist immer Zeit fürs Reeperbahn Festival. Und ob man’s glaubt oder nicht: Tatsächlich haben die Macher ihr traditionsreiches Event auf und um die hanseatische Amüsiermeile bis gestern tatsächlich durchgeführt – teils in digitaler Form als Stream, aber auch mit physischen Events und Konzerten war das Reeperbahn Festival so nah wie möglich an seiner gewohnten Form geplant. Hoffen wir für die Veranstalter, Künstler und Besucher, dass alles gut und glimpflich abgelaufen ist. Für die arg gebeutelte Event-Branche könnte das ein kleiner Lichtstreif sein! Wir wenden uns indessen den News der Woche zu und schwenken vom „Kiez“ auf das zweite bekannte Szeneviertel Hamburgs.
Corona-Fall: „Katze“ in Hamburg vorerst geschlossen
Eine Hiobsbotschaft kam zu Beginn der Woche aus der berühmten Bar und Kneipe Katze auf dem „Schulterblatt“ im Hamburger Schanzenviertel: Wie u.a. der NDR berichtete, waren mehrere Mitarbeiter des Lokals positiv auf Covid-19 getestet worden. Am Freitag bezifferten die örtlichen Gesundheitsbehörden die Gesamtzahl der Fälle rund die „Katze“ mit acht, davon vier beim Personal.
Während einerseits an mehreren Stellen die Debatte neu darüber entbrannte, ob und wie umfänglich Gastronomie-Mitarbeiter durchgehend einen Mund-Nasen-Schutz tragen sollten oder sich generell zu lässig in der Umsetzung von Vorschriften zeigen, wurde im Zuge der Ermittlungen gleichsam erneut deutlich, dass ein großes Problem in der Rückverfolgung von Infektionsketten nach wie vor auf Seiten der Gäste auszumachen ist: Von den rund 600 Besuchern, die an den betreffenden Tagen in der Bar gewesen waren, hatten etwa ein Sechstel offenbar irreführende Kontaktangaben hinterlassen. Aus der Hamburger Barszene meldeten sich zudem Stimmen, die aus persönlicher Erfahrung zu Protokoll gaben, dass die Mitarbeiter des Hauses sich bislang vorbildlich an alle Regelungen gehalten hätten.
Coronakrise: Briten geben Pubs und Restaurants den Vorzug gegenüber Bars
Die gute Nachricht zuerst: Wie das Marktforschungsunternehmen CGA ermittelt hat, haben die Konsumenten im extrem stark vom Coronavirus betroffenen Großbritannien ihr Ausgehverhalten zuletzt merklich gesteigert: Während im Juli noch etwa 45% aller Briten angaben, im aktuellen Monat gastronomische Betriebe besucht zu haben, stieg die Zahl bei einer vergleichenden Umfrage einen Monat später auf 65%, wie The Spirits Business mitteilt.
Für die Barszene ist diese Zahl allerdings weniger schön: So ergab die Erhebung, dass zwar 80% oder mehr der Befragten Pubs oder Restaurants aufgesucht hätten, aber nur etwas mehr als die Hälfte war in einer Cocktailbar. Weniger (37%) verzeichnen lediglich die sogenannten „late-night venues“. Ob diese Verteilung mit einer eventuellen Skepsis in Bezug auf Bars und Nachtlokale als virologische „Hotspots“ einhergeht, lässt der Bericht der CGA offen.
Das „Tax and Trade Bureau“ und seine große Schwäche
Das „Alcohol and Tobacco Tax and Trade Bureau” der Vereinigten Staaten, kurz TTB, ist ohnehin ein Schreckgespenst für so manchen Spirituosenproduzent: Denn die 2003 gegründete Behörde gibt nicht nur den amtlichen Katalog mit Definitionen von Spirituosenkategorien heraus – sie wacht auch mit eiserner Hand darüber, dass jene Vorschriften eingehalten werden. Anders gesagt: Solange das TTB ein Etikett nicht freigibt, darf das Produkt in keinem Ladenregal in den USA angeboten werden. Das gilt sowohl für heimische als auch importierte Spirituosen.
Für die Kollegen vom SevenFifty Daily hat Derek Sandhaus, Experte für Baijiu und andere asiatische Spirituosen, einen hochinteressanten Beitrag verfasst, der die große Schwachstelle des TTB offenlegt: Abseits der traditionellen Kategorien, die allesamt dem europäischen und amerikanischen Kulturraum entstammen, hat das „Bureau“ so gut wie keine Definitionen parat. Das führt zu dem Kuriosum, dass zahlreiche Produkte, die in ihren jeweiligen Ländern strengen Auflagen genügen, im Riesenmarkt USA leidlich als „Distilled Spirits Specialty“ vermarktet werden müssen. Ein absolut lesenswerter Exkurs in die Welt der Bürokratie, die es nicht nur in Deutschland gibt!
Lemonaid stellt Julia Klöckner ein „Denk-mal“ hin
Und noch einmal Behörden und Vorschriften: Schon länger fechten die Hersteller der Hamburger Getränkemarke „Lemonaid“ einen kräftezehrenden Kampf gegen die Vorschriften für die Verkehrsfähigkeit von Nahrungsmitteln. Der Grund dabei ist kurioserweise eigentlich ein positives Merkmal: der geringe Zuckergehalt ihrer Produkte. Denn um alle Kriterien des Begriffs „Limonade“ vollständig zu erfüllen, setzt die Gesetzgebung einen minimalen (!) Gehalt von 7% des Gewichts voraus. Lemonaid selbst süßt seine Getränke teils deutlich weniger.
Bereits 2019 hatte der Hamburger Verbraucherschutz diesen Umstand gerügt, allerdings wurde den Herstellern zugestanden, ihr Produkt vorerst nicht ändern zu müssen. Eine neue Ermahnung kommt nun aus Bonn, der Grund ist derselbe: Zu wenig Zucker sei eine Täuschung des Verbrauchers.
Stärkung für Lemonaid kommt indessen sogar vom Hamburger Rathaus, aus dem mehrere Angehörige laut “MoPo”-Information bereits Bundesverbraucherschutzministerin Julia Klöckner (CDU) zu einer dringenden Anpassung der überkommenen Vorschriften aufrufen. Klöckner gilt in derartigen Dingen jedoch als konservativ und außerdem als den großen Herstellern sehr nahestehend – und die werden sich sicherlich nicht für eine Anpassung der Mindestgrenze aussprechen, ist Zucker doch eine der günstigsten Zutaten. Als sogenanntes „Denk-mal“ hat Lemonaid nun pointiert reagiert: Die gerügten Hanseaten ließen eine Figur der nachdenkenden Ministerin vor dem Eingang ihres Dienstsitzes stellen.
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