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Leslie Nader spricht im Interview darüber, ob Corona unsere Wahrnehmung von Räumen und Bars verändert hat

„Corona hat unseren Blick auf Räume nicht verändert.“ Innenarchitektin Leslie Nader im Gespräch über Bars

Leslie Nader hat sich auf die konzeptionelle und technische Planung wie Gestaltung öffentlicher Räume insbesondere gastronomischer Einrichtungen spezialisiert. Im Interview spricht die Zürcher Innenarchitektin, warum Bars wieder mehr Farbe tragen, Nachhaltigkeit eine große und Corona eine geringe Rolle in der Einrichtung spielen.

Zu den Schwerpunkten von Leslie Nader (nader-interior.ch) zählen Hotelprojekte, Restaurants oder die räumliche Verbindung von Restaurant und Bar – von der Salatbar im Zürcher Food Market des traditionsreichen Jelmoli-Einkaufshauses oder Brewhouse Bar Hardwald bis zum Baseler Restaurant Bohemia mit einer Bar im Zentrum. Ein allgemein gültiges Raumkonzept für die speziellen Abläufe und Prozesse in der Gastronomie und vor allem in Bars kann und will sie nicht ausmachen. „Jede Einrichtung soll einzigartig sein. Daher muss auch jede Planung individuell erfolgen und ergibt sich aus der Idee des Betreibers wie dem Austausch aller Beteiligten“, sagt Leslie Nader. MIXOLOGY Online hat mit ihr über Planung, Corona-bedingte Veränderungen und Nachhaltigkeit in der Materialauswahl gesprochen.

MIXOLOGY: Worauf sollte man mit einem innenarchitektonischen Blick bei der Einrichtung von Gastronomiebetrieben wie Restaurants oder Bars achten?

Leslie Nader: Die Voraussetzungen für ein Restaurant oder eine Bar mit Tresen und Ausgabestation sind sehr ähnlich. Als Innenarchitekten legen wir ein besonderes Augenmerk auf die spezifischen Abläufe und Prozesse, die Distanzen von Tresen, Tischen und Stühlen zueinander oder anfallende Wegestrecken. Wie groß ist der Gastraum, welche Rolle spielt die Bar in einem Restaurant, oder handelt es sich um einen reinen Barbetrieb, um kurze oder lange Wege für das Servicepersonal – wo positioniert man was am besten und lässt sich das baulich auch durchführen. Vor allem in der Planungsphase arbeiten wir mit Gastronomieplanern zusammen. Meistens aber haben die Betreiber selbst genaue Vorstellungen, wie sie ihren Betrieb gestalten wollen und was sie brauchen. Möglichst wenige Schritte bei der Arbeit erleichtern diese. Man sagt, ein Abstand von 90 bis 100 Zentimetern zwischen Tresen und Back-Bar seien ideal. Wenn es sich um größere Abstände handelt, bedeutet es mehr Aufwand und Weg für das Personal.

»Gerade das Zubereiten von Cocktails spricht die Sinne an und ist mit dem Sehen, Riechen und Schmecken verbunden. Diesen Genussfaktor sollte man planend bedenken.«

— Leslie Nader

MIXOLOGY: Auf welche Prozesse muss man innenarchitektonisch im Gastronomie- und Barbereich besonders achten?

Leslie Nader: Grundsätzlich sollten die Abläufe durch die Innenarchitektur optimiert werden, zum Beispiel die Wege für das Servicepersonal. Wo genau befinden sich Bitters, Standard-Spirituosen oder Zutaten. Wo ist das Eisfach, wo erfolgt die Getränke- oder Essenausgabe, und wo befindet sich die Kasse. Die Position der einzelnen Geräte und des Zubehörs ist sehr wichtig. Sie beeinflusst die Tätigkeit und Schnelligkeit der Bartender. Das überträgt sich auch auf die Atmosphäre. Der Tresen gilt als zentraler Platz, wo viel passiert und wovon viel Atmosphäre ausgeht. Gerade das Zubereiten von Cocktails spricht die Sinne an und ist mit dem Sehen, Riechen und Schmecken verbunden. Diesen Genussfaktor sollte man planend bedenken. Die Position des Tresens innerhalb des Raums ist also wegweisend. Bietet man auch Kaffee an, ist die Auswahl der Kaffeemaschine entscheidend und nimmt unterschiedlich viel Platz ein. Alles das hängt auch immer mit den Vorstellungen des Betreibers, Restaurant- oder Barchefs zusammen. Aber es sind wichtige Punkte, die man schon zu Beginn berücksichtigen muss. Meistens haben die Barbetreiber:innen Einrichtungswünsche und kennen die Abläufe. Es ist immer gut, Küchen- und Gastronomieplaner:innen hinzuzuziehen. Barbetreiber sollten schon im Planungsprozess genaue Vorstellungen von ihrem Konzept haben, Restaurantbetreiber von der Menüabfolge.

MIXOLOGY: Welche Materialien kommen bevorzugt ,unter den Hammer‘?

Leslie Nader: Auch bei der Auswahl für Frontmaterialien oder den Arbeitsbereich Bar ist das Zusammenspiel aller Beteiligten ausschlaggebend. Es geht nicht nur um das Optische, sondern auch um die Installation von Kühl- oder Eisfächern, wofür wir Küchenspezialisten zu Rate ziehen. Für den Barbereich entscheidet man sich eher für Materialien wie Chromstahl oder Kunststein, die einer starken Abnutzung oder der Arbeit mit Säuren wie Zitronensäure standhalten. Im öffentlichen Bereich gelten zudem besondere Auflagen bezüglich des Brandschutzes. Vorhänge zum Beispiel müssen feuerfest sein. Ich bin der Meinung, dass natürliche, ehrliche Materialien wie Echtholz oder Stein am Boden sich länger bewähren als künstliche Materialien wie zum Beispiel Laminat. Immerhin geht es auch um Aspekte wie Patina, Langlebigkeit und Nachhaltigkeit. Und das schlägt sich auch monetär nieder.

»Nachhaltig eingesetzte Materialien spielen eine zunehmend große Rolle. Das merken wir auch am Interesse seitens der Gastronomie.«

— Leslie Nader

MIXOLOGY: Welchen Stellenwert spielt hier die Nachhaltigkeit von Materialien?

Leslie Nader: Nachhaltig eingesetzte Materialien spielen eine zunehmend große Rolle. Das merken wir auch am Interesse seitens der Gastronomie. Wir verzichten auf Importe von Rohmaterialien wie Holz oder bereits gefertigten Möbeln aus Übersee oder China, vor allem weil hiermit lange Transportwege verbunden sind. Stattdessen bevorzugen wir Möbeln und Materialien aus Europa und natürlich der Schweiz, arbeiten lieber mit heimischen Materialien.

MIXOLOGY: Was kann man tun, um einen gastronomischen Treffpunkt lebendiger zu gestalten, ihm mehr Gastlichkeit oder Wohlfühlcharakter einzubauen?

Leslie Nader: Das ist von Bar zu Bar oder Restaurant sehr unterschiedlich. Die meisten Betreiber verfügen schon über ein ausgeklügeltes Konzept, Thema oder die Ausrichtung als Restaurant, Pub, Hotelbar oder Cocktailbar. Es kommt darauf an, welche Atmosphäre die Betreiber erzeugen und was sie mit ihrem Konzept erreichen wollen. In der Planungsphase wird immer neu evaluiert und kreiert. Eine Faustregel oder ein Generalrezept kann es nicht geben, weil auch jeder Raum anders wirkt. Wenn es sich beispielsweise um Gastronomien in Neubauten handelt, befinden sich viele davon im Erdgeschoss und sind in ihrer Grundausstattung manchmal mit hohen Glasscheiben oder Schiebetüren aus Glas versehen. Um ein bisschen Wärme im Inneren zu erzeugen, könnte man mit Gardinen spielen, die die Räume akzentuieren und Wärme stiften. Sind Räume aber zu klein und niedrig, würden Gardinen das Gegenteil bewirken. Die Gestaltungswünsche sind sehr individuell und immer in Verbindung mit der baulichen Beschaffenheit und dem Budget zu sehen.

MIXOLOGY: Es gibt kein Schema F für ein Raumkonzept, ein solches, das alles bewahrheitet?

Leslie Nader: Nein, das ist in jeder Situation anders, weil bei der innenarchitektonischen Planung alle Aspekte herangezogen werden müssen. Die Wünsche des Barbetreibers, die baulichen Gegebenheiten, das gastronomische Konzept oder die Abläufe, die wiederum stark von der konzeptionellen Ausrichtung abhängen. Wir haben zum Beispiel das Restaurant Bohemia in Basel eingerichtet, mit einer Bar im Zentrum des Restaurants. Das ist bewusst gewählt, damit die Lokalität rund um diese aufgeteilt werden kann, und die Bar das Zentrum bildet. Das hat auch für das Service und vor allem bei einem großen Lokal den Vorteil des Überblicks und der schnelleren Erreichbarkeit der Tische.

MIXOLOGY: Hat Corona den Blick der Innenarchitektur oder des Interieur Designs auf Bars und Restaurants verändert, wird neu gedacht?

Leslie Nader: Der Vorteil in der Bar oder direkt am Tresen ist, dass man die Stühle oder Barhocker meistens bewegen oder wegnehmen kann, um mehr Abstand zu gewinnen. Das ist in Restaurants mit gebührenden Abständen zwischen den einzelnen Tischpositionen schwieriger. Generell glaube ich, dass es wieder wie früher wird. Man sieht das jetzt, wir besuchen Konzerte, und im Bus stehen Leute dicht nebeneinander. Corona hat unseren Blick auf be- und entstehende Räume nicht verändert. Eine Vergrößerung der Abstände von Plätzen zueinander wird in der Planung nicht berücksichtigt. Was aber sehr wohl geplant wird, ist die Flexibilität von Einrichtungsgegenständen. Vielleicht planen wir weniger fest verankerte und unverrückbare Sitzbänke, um im Notfall die Tische wieder auseinanderstellen zu können. In solch einem Fall wird es auch wieder Plexiglas-Scheiben geben. Aber sie fest einzuplanen und zu verankern, wäre nicht schön. Bauliche Veränderungen aufgrund von Corona kann ich nicht festmachen. Was sich aber meinem Empfinden nach in den letzten Jahren verändert hat und im Trend liegt, sind fröhlichere, hellere und farbenreichere Gestaltungen von Restaurants und Bars. Die Gäste wollen, und das könnte sich durch Corona auch verstärken, mehr Lebendigkeit anstelle des Dunklen, Monochromen. Sie haben mit der zurückgekehrten Ausgehfreude und dem Lebensdrang mehr Lust auf Farbe, Geschmack und Gastlichkeit.

»Man plant dieses Mehr an Raum durch vorangegangene Corona-Beschränkungen aktuell nicht ein. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass Menschen und Gäste in diesem Fall mehr Platz brauchen oder wollen.«

— Leslie Nader

MIXOLOGY: Die Menschen brauchen zukünftig nicht zwingend mehr Raum?

Leslie Nader: Man plant dieses Mehr an Raum durch vorangegangene Corona-Beschränkungen aktuell nicht ein. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass Menschen und Gäste in diesem Fall mehr Platz brauchen oder wollen. Wie gesagt, eine flexible Gestaltung als mögliche Reaktion auf den Notfall lässt sich planen. Was man nämlich vor allem nicht aus den Augen verlieren darf, ist das Budget. Reduziert man von Beginn an die Gastfläche, schlägt sich das auch in Zukunft monetär und betriebswirtschaftlich nieder. Weniger Fläche für Gäste zu haben, bedeutet auch, weniger Einnahmen zu lukrieren. Ich glaube, die Flexibilität sollte möglich sein. Wenn Gäste mehr Platz wollen oder brauchen, könnte man ihnen dann im Speziellen mit einer flexiblen Inneneinrichtung beikommen.

MIXOLOGY: Liebe Leslie Nader, vielen Dank für das Interview.

Credits

Foto: leawaser.ch

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