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Die Mudita Bar in Ulm wandelt zwischen den Welten

Seit März 2019 versorgt Nihat Ciftci mit seiner Mudita Bar die Stadt Ulm mit Cocktails und Design-Sonntagen, neuerdings auch mit türkischem Essen. Wir haben mit dem Barbetreiber über Smashes, Pop-up-Konzepte und natürlich das Arbeiten in der Coronakrise gesprochen. Das in einer Stadt wie Ulm, die an zwei Bundesländer grenzt, noch skurrilere Züge annimmt als ohnehin schon.

Die Stadt Ulm mit ihren etwa 120.000 Einwohnern verfügt über eine durchaus solide Barlandschaft. Seit März 2019 hat sich Nihat Ciftci mit seiner Mudita Bar in diesen Reigen eingefügt. „Mudita bedeutet Mitfreude, sprich man ist selbst glücklich, wenn die Familie und Freunde glücklich sind. Als Gastronom heißt das für mich: zufriedene Gäste, zufriedener Gastgeber“, erklärt der sympathische Barbetreiber gleich mal die Wahl des Namens für seine Bar. Der Begriff stammt aus dem Buddhismus, er selbst hat ihn sich auch bereits vor Jahren tätowieren lassen.

Nach sehr gut laufenden ersten zwölf Monaten schlitterte die Mudita Bar wie der Rest der gastronomischen Landschaft durch die überfallsartige Corona-Pandemie ab März 2020 in eine wirre Zeit. Nihat Ciftci stieg dabei als Erster in Ulm von Barbetrieb auf Cocktail-Lieferservice um; ein Wandel, der gut ankam in der Lockdown-Zeit.

Nihat Ciftci verwirklicht mit der Mudita den Traum von der eigenen Bar
Liebe bis ins Detail: gebrandete Mudita-Eiswürfel

Der designende Gastronom

Aber erstmal zurück in das Jahr 2019 – sowie die Zeit davor. Nihat Ciftci selbst wuchs in Ulm auf, studierte Kommunikationsgestaltung in Schwäbisch-Gmünd, jobbte aber seit seit dem 18. Lebensjahr immer wieder in der Gastro. Eigentlich war ihm sehr früh klar, dass es diese für ihn auch bleiben würde: „Aber es war mir immer wichtig, auch eine andere Ausbildung neben der Gastronomie zu machen. Auch wenn ich schon sehr lange gewusst habe, dass ich irgendwann mal eine eigene Bar betreiben will, wollte ich immer ein zweites Standbein haben. Das hat sich in der Coronazeit sehr positiv ausgewirkt, da ich wieder Design-Jobs angenommen habe.“

Seine gastronomischen Anfänge liegen in der Systemgastronomie, mit 21 Jahren folgte in der Blaupause der Schritt in die eigentliche Barwelt. „Da hat es für mich erst so wirklich angefangen mit Cocktails. Davor war das eher die Kategorie Happy Hour, auch wenn ich viel dabei gelernt habe. Denn ob man Systemgastronomie nun mag oder nicht, sie hat ihre Vorzüge. Wenn man dann einen eigenen Laden hat, merkt man erst, wieviel davon man im Bezug auf Optimierung von Abläufen anwenden kann“, kommentiert der Ulmer seine Entwicklung.

Kurzes kreatives Intermezzo in Köln

Kingelt’s beim Wort „Blaupause“? Das ist der Ort, wo man behauptet, eventuell auch den Gin Basil Smash erfunden zu haben. Neben der Bar mit dem Löwen im Norden, ehschonwissen. In der Blaupause hat Nihat Ciftci im Lauf von sieben Jahren jedenfalls viel auf- und angenommen. Seine Barschichten kombinierte er darüber hinaus mit der Rolle als Barchef im SuCasa Club, durchaus auch am gleichen Tag– er war ja eh noch wach. Und Spaß machte es auch.

Erweitert wurde sein Wirkungskreis dann noch um die Rosebottel Bar, und das in altbekannter Runde: „Im Grunde war ich immer vom gleichen Team umgeben, nur die Locations haben gewechselt“, beschreibt er diese Zeit. Nach dem Abschluss an der Universität zog er nach Köln, um frischen Wind in sein Leben zu bringen, und heuerte in einer Agentur an. Aber schon im zweiten Monat suchte er aus Langeweile bereits nach neuen Gastro-Herausforderungen. Köln hält den designenden Gastronomen nur zwei Jahre, bevor es schließlich nach Ulm zurückkehrt, mit dem festen Entschluss, eine Bar zu eröffnen. Es sollten dann Räume des ehemaligen Café Jedermann im Stadtzentrum, 20 Jahre lang Kultgastronomie der Stadt, werden.

Mudita Bar

Neue Straße 100
89073 Ulm

Do - Sa 19 - 2 Uhr (geänderte Öffnungszeiten pandemiebedingt)

Wie Ulmer ticken und trinken

Dass Nihat Ciftci visuelles Design gelernt hat, kann man am Interior seiner Mudita Bar sehr gut erkennen. Sie ist elegant und reduziert, Messing-Elemente, Grüntöne und eine Neonschrift an der Wand dominieren den Raum. Blickt man durch das große Fenster auf den Tresen, kann man dem Vergleich der Südwest Presse mit David Hoppers ikonischem Bild „Nighthawks“ durchaus etwas abgewinnen.

Die Cocktailkarte jedenfalls wechselt regelmäßig und umfasst immer wieder auch die Rezepturen befreundeter Bartender aus anderen Städten. Wie aber trinken die Ulmer eigentlich? „Allgemein steht der Ulmer oder die Ulmerin auf Smashes und auf Klassiker, würde ich sagen. Wir sind im ersten Augenblick zurückhaltend, dann aber auch offen für Neues. Die Gäste wissen, was sie wollen, und müssen deswegen hin und wieder einfach auf neue Drinks aufmerksam gemacht werden. Aber das mag ich und gehört schließlich zu unserem Beruf.“

Skurrile Zustände in der „Zweilandstadt“

Die Mudita Bar verfügt auch über einen eigenen Innenhof, der sich im letzten Corona-Sommer bewährt hat. Und das sogar so gut, dass das sechsköpfige Team gar an seine Grenzen stieß. In allererster Linie hießen die vergangenen Lockdown-Monate aber auch für den Neo-Barbesitzer: Take-Away-Geschäft, Cocktail-Lieferservice und sogar Speisen. In einer Stadt wie Ulm, die an der Grenze zwischen zwei Bundesländern liegt, sorgte die Bürokratie und die regionalen Regelungen der Politik zusätzlich für noch bizarrere Umstände: „Wir waren wegen des Alkoholverbots in Baden-Württemberg gezwungen, die Cocktails in Flaschen und nicht in To-Go-Bechern mitzugeben. Man konnte sich also die Drinks bei uns abholen, über die zwei Minuten entfernte Brücke nach Bayern laufen und dort konsumieren.“

Für sein neues, kulinarisches Angebot greift Nihat Ciftci auf seine türkischen Wurzeln zurück. So kredenzt er Lahmacun, Köfte und vieles mehr, dazu mit einem jeweils passenden Drink. Generell steht die Mudita Bar für Kreativität, Austausch und Abwechslung. Auch Live-Musik war immer ein großer Teil des Konzepts – einer, der natürlich durch die Coronakrise umso stärker gelitten hat.

Nihat Ciftci sattelte rasch um auf Bottled Cocktails
Der Black Mint Cocktail

Picknick-Boxen und Optimismus

Daher leitet sich auch der Zusatz „Cocktailbar & Pop-up Concepts“ an. So wird die Mudita Bar immer wieder Sonntags – zumindest vor und hoffentlich auch „nach“ Corona wieder – zum Brunchcafé, oder auch zum Ausstellungsraum für Design-Bücher.

Und bald auch hoffentlich zu dem, was sie eigentlich sein will: zur Bar. „Wir wollen für die warmen Tage eine Cocktail-Picknick-Box zusammenstellen. Das könnte gut angenommen werden, da wir direkt an der Donau liegen“, blickt Nihat Ciftci erstmal dem Sommer entgegen. „Wir bleiben optimistisch.“

Credits

Foto: Christian Kammer

Comments (1)

  • Wolfgang

    Eigentlich kommentiere ich Presse-Artikel nicht. Aber in diesem Fall liegt es mir doch am Herzen, das gezeichnete Bild gerade zu rücken. Die Mudita Bar war tatsächlich ein Hoffnungsschimmer am Horizont der Barlandschaft Ulm/Neu-Ulms (ca. 185.000 Einwohner). Im Artikel wird diese Landschaft als “solide” bezeichnet, was eine etwas vage Beschreibung ist für Hariolf Sprolls Blaupause und Rosebottel neben einer Reihe unterdurchschnittlicher Saftrühranstalten. Weltklasse ist Hariolf Sproll trotz halber Gin-Basil-Smash-Urheberschaft sicherlich nicht, aber durchaus sehr solide. Genau daneben – oder vielleicht sogar etwas darüber – war die Mudita Bar in ihrer Anfangszeit zu verorten. Nur geblieben ist davon wenig: Die Karte ist kleingeschrumpft und uninspiriert, hinter der Bar stehen großschnäuzige Freepourer, das Publikum scheint zu einem nicht unerheblichen Teil der Autoposer-Szene zu entstammen, die direkt vor der Tür gerne ihre Runden dreht. Aperol-Spritz im Akkord (und daher im Tumbler, weil die “richten Gläser gerade aus sind”) ist kein Problem, ein klassischer Gin Daisy hingegen schon (“ist nicht auf der Karte”). Die anfängliche Hoffnung, dass die Mudita sich als Bar mit Niveau und Stil etabliert, wurde leider enttäuscht. Das ist schade, aber nicht unumkehrbar.

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