Der dritte Streich von Paul Sieferle und Abian Hammann: Das Odeon in Mannheim
„In gewisser Weise hat dort für Abian und mich alles angefangen: im Odeon“, erklärt ein aufgeräumt und ruhig wirkender Paul Sieferle um 9 Uhr morgens; eine Uhrzeit, zu der man eher selten Bartender interviewt.
Um das wiederum zu verstehen, muss man freilich nachfragen und sich das mit dem Anfang erklären lassen. Denn das, was heute seit über 40 Jahren als „Odeon“ in Mannheim bekannt ist, war ursprünglich die Gastronomie eines Programmkinos in den „Quadraten“. „Und dort haben Abian und ich uns vor zehn Jahren kennengelernt, als Bartender“, hebt Paul Sieferle an. „Damals war es eine ziemlich studentische Kiezkneipe: Viel Rotwein, Bier, viel Rauchen – aber sogar damals immerhin schon mit Moscow Mule. Im Jahr 2009 in Mannheim, wohlgemerkt!“
Paul Sieferle und das Coming home im Odeon
Für den studierten Bassisten und seinen Freund Abian Hammann wurde aus diesem Job letztlich (wie bei so vielen gastronomischen Gestaltern) mehr draus, als er sich selbst je gedacht hat: „2012 waren wir dann beide raus aus dem Odeon, wollten aber weiter Bar machen. Da haben wir schließlich gesagt: ‚Fuck you, wir machen unseren eigenen Laden!‘ Insofern ist das Odeon der Ort, an dem das Hagestolz geboren wurde.“
» Die Drinks stehen klar für den bekannten Sieferle-Stil – reduziert, kraftvoll, schnörkellos, und immer mit dem kleinen Extra-Gedanken weg vom klassischen Rezept. «
Jenes Hagestolz ist mittlerweile stattliche sieben Jahre alt und weit über Mannheim hinaus ein Begriff. Später kam Sieferles zweites Projekt hinzu. Das damals noch als „Sieferle & Sailer“ lancierte Hybrid-Konzept aus Bar und Barbershop war bei den MIXOLOGY BAR AWARDS 2017 in der Kategorie „Barkarte des Jahres“ nominiert und firmiert mittlerweile als reine Bar unter dem Namen Sieferle & Kø. Und nun also: Odeon.
Plötzlich war das Objekt verfügbar, und so kehren Sieferle und Hammann nun zurück an den Ort des Anfangs, der aber gleichzeitig einen Schritt des Erwachsenwerdens markiert, wie Paul Sieferle anmerkt: „Wir haben den Laden durchaus komplett entkernt und neu gestaltet, so dass er jetzt mit Farben, Formen und Design ‚unsere‘ Sprache spricht. Und was das Angebot betrifft, gehen wir sozusagen auch ein wenig mit unseren ersten früheren Gästen mit, die mit uns älter geworden sind und heute andere Bedürfnisse haben.“
» Den größten Teil der Weine holen wir natürlich von hier, also viel Baden und Pfalz, aber auch aus anderen Gebieten. «
Von der Bar aus gedacht – aber mit neuen Dimensionen
Konkret heißt das: Die Drinks stehen klar für den bekannten Sieferle-Stil – reduziert, kraftvoll, schnörkellos, und immer mit dem kleinen Extra-Gedanken weg vom klassischen Rezept. Siehe etwa Drinks wie der „Willi der Nussknacker“ mit Birnenbrand, Cynar und Walnusslikör oder der „Sterling Silver Fizz“ aus Gin, Violette, Mandel, Zitrone, Eiweiß und Pastis. Und der Beliebigkeit beim Aperitif-Game wird mit dem „Odeon Spritz” aus Aperol, Cynar und Von Buhl Rieslingsekt eine klare Absage erteilt.
Die Cocktails jedoch werden nun ergänzt durch Weine und Food, beides mit persönlicher Motivation und Hingabe: „Ich komme ja selbst aus einer Weingut-Familie“, begründet Sieferle auch das ganz eigene Bedürfnis, sich dem Thema Wein nun auch gastronomisch zu widmen. „Den größten Teil der Weine holen wir natürlich von hier, also viel Baden und Pfalz, aber auch aus anderen Gebieten.“
Dazu lässt es sich der Chef nicht nehmen, einmal pro Woche selbst einen Kessel Burgunder-Eintopf anzusetzen, der zusammen mit hausgebeiztem Lachs und Grilled Cheese Sandwich so etwas wie den ideellen Fixpunkt in Sachen Essen ausmacht: „Es geht um einfache Gerichte – aber mit hervorragenden Produkten und eben auch in unserer Sprache.“ Dass die zum Anfang aus rund 35 Positionen bestehende Weinkarte da immer was Passendes bereithält, sollte man meinen. Und sonst wartet ja noch das Pils der großartigen Familienbrauerei Dinkelacker am Zapfhahn des Raumes mit Sitzplätzen für 45 Personen. In Bälde wird dazu gar noch ein Frühstücksangebot kommen. Nur Bar war also definitiv gestern im Hause Sieferle-Hammann.
Odeon
Quadrat G7, 10
68159 Mannheim
Facebook: Odeon Bar Mannheim
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Samstag von 19:00 Uhr bis 2:00 Uhr
Rauchen: Nein
EC: Ja
Im Odeon, wo alles begann
Neu ist für ihn daher vor allem die andere, erweiterte gastronomische Denkweise: „Ich bin ja in letzter Zeit sowieso etwas weniger aktiv an der Bar. Jetzt aber kommen nochmal neue Aufgaben dazu“, meint er. „Unsere anderen Läden bedienen ja nur an der Bar. Für das Odeon habe ich zum ersten Mal einen Service-Leitfaden geschrieben.“
So ist das mit dem Erwachsenwerden: Die Aufgaben ändern sich. Und man hat plötzlich Verantwortung: „Abian und ich haben inzwischen 30 Mitarbeiter. Klar, viele davon sind Aushilfen, aber es sind viele Menschen, für die man sich zuständig fühlt.“ Als Teil der „Familie” wechselte der langjährige Sieferle & Kø-Mitarbeiter Gregor Engelhardt ins Odeon und wird dort die Betriebsleitung übernehmen. Eröffnet wurde das Odeon just in der Mai-Nacht, nun findet sich die Routine. Und was sich zum aktuellen Zeitpunkt wie ein Ankommen bei den eigenen Wurzeln anfühlt, kann ja in ein paar Jahren wiederum in der Rückschau auch selbst ein Anfangspunkt sein. Dort, im Odeon, wo einst alles begann.
Credits
Foto: Paul Sieferle
Carsten Münch
Wow, freue mich, dass es das Odeon wieder gibt. Habe dort auch als Bartender gearbeitet, allerdings vor 20 Jahren. Robert Mitchum wird einen nicht mehr mit seiner Coolness und Kippe im Mund beeindrucken. Aber das alte Outfit passt wahrscheinlich auch nicht mehr in die Zeit. Muss unbedingt vorbei kommen, wenn ich wieder in Mannheim bin.
Stefan
Richtig cool, freue mich auch sehr, dass das Odeon einen Relaunch bekommen hat. Wie mein Vorkommentator habe auch ich 2 Jahre im Odeon gearbeitet (2006-2008) und kenne Abian. Die Bar ist in sehr guten Händen! Robert Mitchum und Jane Greer werden aber trotzdem fehlen… ich freue mich auf das nächste Mal in Mannheim.