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Die Palabra Bar in Berlin setzt einen Fokus auf Mezcal

Die Palabra Bar in Berlin: Mezcal, Musik und Minimalismus

Es gibt wieder eine neue Mezcal Bar in Berlin: Die Palabra Bar auf der Frankfurter Allee ist völlig dem Agavenbrand gewidmet. Wer auf der Suche nach mexikanischer Folklore ist, ist hier allerdings fehl am Platz. Stattdessen gibt es einen starken Fokus auf zeitgenössischem Minimalismus und Musik. Das kann sich sehen lassen.

Mezcal – trotz aller Lobpreisungen als Szene-Liebling führt der facettenreiche Agavenbrand noch immer ein Dasein als Underdog. Und trotz oder gerade wegen seines besonderen Charakters war ihm bis jetzt der Weg in den Mainstream deutschsprachiger Gefilde versperrt.

Dementsprechend schwer haben es auch nach wie vor Bars, die ihren Fokus auf die mexikanische Spirituose legen. Auch in Berlin gab es schon manches Projekt in diese Richtung, wie etwa die Mezcaleria von Axel Huhn, jahrelang ein Nukleus der frühen Mezcal-Bewegung. Doch so eine durchschlagende Erfolgsstory war bis jetzt nicht dabei.

Mit der Palabra Bar soll sich das ändern.

Ob pur oder im Cocktail, in der Palabra Bar geht es ausschließlich um Mezcal
Ob pur oder im Cocktail, in der Palabra Bar geht es ausschließlich um Mezcal
Untergebracht ist die Palabra Bar in einem der historischen Gebäude an der Frankfurter Allee
Untergebracht ist die Palabra Bar in einem der historischen Gebäude an der Frankfurter Allee

Mexiko auf der Frankfurter Allee

Darauf angesprochen, wie er diesen vermeintlichen Fluch brechen will, eine langfristig bestehende Mezcal-Bar zu etablieren, hat Alonso Lopez eine ebenso unerwartete wie originelle Lösung: Musik. Während er das sagt, lehnt der 37 Jahre alte Mexikaner entspannt am königsblauen Tresen seiner Bar. Diese befindet sich in einem großen Raum in einem der pittoresken Gebäude auf der Frankfurter Allee, dem der gastronomische Neueinsteiger Lopez seit August vergangenen Jahres neues Leben eingehaucht hat.

Wo vorher die fast schon chaotisch bunte Radiobar war, ist jetzt Minimalismus angesagt. Im Zentrum, eingefasst von zwei Betonsäulen, ein langer Tresen in eben jenem Blau, das Mexiko-Besucher:innen schnell an das Museum von Frida Kahlo erinnern wird – Rauputzoberfläche inklusive. Die Servierfläche selbst ist aus lackierter Kiefer, dahinter gut ausgeleuchtet die obligatorischen Agavenbrände, darüber eine imposante Galerie. Klare Linien, außen Schwarz und innen knalliges Orange, das das Blau des Tresens kontrastiert. Um so akzentuierter, da es die beiden einzigen Colorationen in dem betonfarbenen Raum sind. Inspiriert ist das Konzept der Vermählung mexikanischer Farbenfreude und minimalistischer Formensprache von Luis Barragán Morfín, einem renommierten mexikanischen Architekten, der moderne Architektur mir regionaler künstlerischer Tradition verband.

Palabra Bar

Keine Stereotypen

Ein Ansatz, der auch in der Palabra Bar gelebt wird. Nicht zuletzt mit den in der Galerie ausgestellten Kunstwerken, die Lopez in ganz Mexiko gesammelt hat. Von handgeschlagenen Kupferwasen über Skulpturen aus schwarzem Ton bis zu einem holzgeschnitzten Königshaupt. Symbole Mexikos fernab der stereotypischen Sombreros und Kakteen.

Doch erst einmal zurück zur Musik.

Die ist, neben Mezcal, die zweite große Leidenschaft von Lopez und soll in der Bar eine prägnante Rolle einnehmen. „Ich will, dass die Leute hier nicht nur zum Trinken herkommen. Es soll um das Gesamtpaket gehen. Und dabei spielt Musik eine große Rolle!“

Mezcal, Musik, Morgenstunden

Das hat, neben der Kunst noch einen weiteren Vorteil. „Aktuell können wir uns nicht wirklich leisten, Werbung zu machen, deswegen arbeiten wir auch gerne mit vernetzten DJs, die dann auf Social Media auf den Abend hier aufmerksam machen.“
Neben der Musik nutzt Alonso auch andere Events, wie etwa einen Mezcal-Markt oder ein gemeinsames Tasting mit der Plattform Agavera Berlin, um Aufmerksamkeit auf das eigene Projekt zu lenken.

Mit Erfolg, wie er selbst sagt, es seien auch schon hunderte Leute in der Palabra Bar gewesen, getanzt wurde bis in die frühen Morgenstunden. Während Lopez davon redet, schweift sein Blick andächtig durch den Raum. Sich die tanzende Crowd vorzustellen, fällt nicht schwer, denn neben dem üblichen Barequipment hat auch ein professionelles Mischpult seinen festen Platz hinter dem Tresen.

Die smarte Idee, dem eigenen Projekt über bestehende Netzwerke mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, kommt nicht von ungefähr … bevor er in die Gastronomie gewechselt ist, war Lopez lange Jahre im Marketing unterwegs. Schließlich sind Bars ein Business – da lässt sich so manche Strategie übertragen. Auch wenn es einige Besonderheiten gibt.

„Am Anfang habe ich mir das alles recht leicht vorgestellt und dachte, ich kriege das alles locker hin. Schließlich habe ich Erfahrung mit Businesses. Aber wenn man erst mal mit bloßen Händen Urinstein aus den Pissoirs geholt hat, dann erdet das ganz ordentlich!“, lacht Lopez über die eigene Selbstüberschätzung, während er einem Pärchen zuwinkt, das gerade in die Bar kommt.

Wie man in Mexiko sagt: Den Mezcal muss man lediglich küssen.
Wie man in Mexiko sagt: Den Mezcal muss man lediglich küssen.

Den Mezcal muss man küssen

„Ironischerweise habe ich Mezcal erst in Deutschland für mich entdeckt“, erzählt der Betreiber der jungen Bar weiter. Das war 2014, daraufhin folgten erste eigene Tastings, damals noch neben der Arbeitswoche. Die Entscheidung, eine eigene Bar zu eröffnen, reifte mit der Zeit. Klar war jedoch von Anfang an, dass es um Mezcal gehen sollte.

Von diesem stehen jetzt zwanzig verschiedene Flaschen hinter dem Tresen. „Jede Einzelne steht nur hier, weil wir sie lieben“, unterstreicht Lopez. Glaubt man gerne, wenn man ihn dabei beobachtet, wie er den Agavenbrand durch das Nosing-Glas schwenkt und die Aromen inhaliert. Das ist noch so eine Besonderheit der Palabra Bar: Trotz allem Traditionsbewusstsein verzichten Lopez und sein Team bewusst darauf, den Mezcal in den typischen Veladoras, den Teelichtgläsern Oaxacas, zu reichen. Die Nosing-Gläser sollen den Gästen zeigen, dass es sich bei den guten Tropfen nicht einfach um Shot-Material handelt. Denn wie man in Mexiko sagt – man muss ihn lediglich küssen. Soll heißen, in kleinen Schlucken genießen.

Für alle, die das noch nie ausprobiert haben, hat die Palabra Bar verschiedene Tasting-Kombinationen, die die Gäste an die Spirituose heranführen sollen. Bei Mezcal nicht immer ein einfaches Unterfangen, ist die Spirituose nicht zuletzt für ihren scharfen, rauchigen und intensiven Noten bekannt. Es gilt also gleichzeitig zu begeistern, ohne zu vergraulen.

Margarita und Mezcal Sour

Unter Genießer:innen hat sich das mittlerweile herumgesprochen – immer wieder kommen Gäste, um explizit etwa eine Reihe unterschiedlicher Brände desselben Herstellers zu probieren. Für Mezcal-Kenner:innen dürfte es hier sicher noch so manchen neuen Schatz zu entdecken geben. Nicht zuletzt, weil viele der Brände nicht aus Oaxaca, sondern aus anderen Regionen Mexikos stammen. Eine angenehme Überraschung für erfahrene Konsumenten auf der Suche nach Abwechslung.

Doch auch für weniger puristische Gäste hat die Karte Variationen zu bieten, wie etwa den Matatlan Mule, einen Mule mit fruchtigem Mezcal, Limettensaft und rotem Pfeffer. Oder Klassiker wie die Margarita oder Mezcal Sour. Letzteren hat auch das Paar bestellt, das Lopez damit zuprostet, während dieser sich gerade mit der DJ über den letzten Song unterhält. Das schafft die Palabra Bar trotz ihrer Größe – es entsteht schnell eine vertraute Gemütlichkeit.

Agaven-Themeabende galore

Was die Zukunft angeht, ist Lopez guter Dinge. Denn beide seiner großen Leidenschaften lassen noch viel Raum für Möglichkeiten. Gedacht werden soll in klaren Konzepten. Etwa Tastings, die sich rund um eine bestimmte Agavensorte drehen. Oder Abende, die ganz dem Egyptian Jazz oder anatolischem Psych-Rock gewidmet sind.

Der Ideen gibt es viele. Mögen die Gäste es auch sein, auf dass der Fluch endlich gebrochen sei.

Credits

Foto: Palabra Bar

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