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Kommt, lasst uns Kombucha machen! Über einen im wahrsten Sinne des Wortes lebendigen Trend

Die Fangemeinde von Kombucha wächst. Das Fermentations-Getränk ist bei gesundheitsbewussten Konsumenten ebenso beliebt wie als alkoholfreie Alternative. Und selbst mit Alkohol mache er eine hervorragende Mixability-Figur, schwören seine Produzenten. Dabei ist Kombucha nicht neu. Er wird nur neu gedacht. Wir haben uns im Reich der Teepilze umgesehen.

Wer es in diesen Tagen nach Berlin-Marzahn geschafft hat, hat nicht nur erleben dürfen, wie ein tatsächliches Superspreader-Event namens S7 aussieht; sondern er hat sich auch ein hinreichend gutes Bild von einem Marzahn machen können, dessen einziger Besuchsgrund für Menschen mit Faible liquider Produktionsstätten längst nicht mehr lediglich die Deutsche Spirituosen Manufaktur ist.

In der benachbarten Halle des roten Backsteinkomplexes teilt sich nämlich die Crew von Bouche das Gebäude mit den Schnapskünstlern, und ein wohl gelaunter Felix Rank öffnet die Tür. Er ist einer der drei Gründer, die sich, bestehend aus einem befreundeten Künstlerkollektiv, zu der Idee hinreißen haben lassen, der Sache mit dem Kombucha auf den Grund zu gehen.

Das Team von Bouche in seiner Produktionsstätte in Berlin-Marzahn

Von glibbriger Grünteemasse

Und sie sind mitnichten die erste und einzige Brauerei, die dieser Tage aus dem Boden sprießt. Da gäbe es auch noch Roy, nicht zuletzt bekannt durch ihrer Kooperation mit der finnischen Kyrö-Destillerie, oder die ebenso in Berlin ansässige Kombuchery. Es gibt die ziemlich allgemein auf Produkte mit Fermentationsprozess fokussierte Truppe von Fairment, und es gibt das Projekt von Zusammenschluss aus Café plus „Fermentery” mit über zwanzig Sorten Kombucha aus eigener Produktion – Bärbucha der Name.

Das sind mitnichten alle Berliner Brauereien, aber gewiss sind es derzeit die prominentesten. Und es ist recht dankbar, über sie zu schreiben und nicht einen Vortrag halten zu müssen, denn so ganz klar ist die Sache mit der Aussprache nicht. Meine Eltern sprachen beispielsweise vom „Kombuchha“, den man auf den 68er-Parties als Gastgeschenk mitbrachte – quasi der Sauerteig von damals.

Das Objekt der liebevollen Geste nannten sie daher „Kombucha-Baby“, was irgendwie niedlich klingt; aber auch schlimm. Tatsächlich heißt diese Lebensform Scoby und ist die etwas lieblicher klingende Abkürzung für „symbiotic culture of bacteria and yeasts“. Kurzum: Sie ist der Teepilz – eine glibbrige Masse, die sich auf dem Grün- oder Schwarztee befindet und aufgrund ihrer Mikroorganismen den Zucker zu Säure und anderen Inhaltsstoffen fermentiert.

Letztendlich hängt das Endresultat dann natürlich davon ab, wie der Tee angesetzt ist und womit ein jeder Pilz gefüttert wird. Das in erster Linie spannende am Kombucha – den die hier zitierten Brauereien übrigens allesamt als „Kombudscha“ (chà = chin.: Tee; Kombu war ein koreanischer Arzt, der den japanischen Kaiser durch eben seinen Spezialtee von einem Magenleiden befreit haben soll) aussprechen – es gibt so gut wie kein Patentrezept. Wer sich an diesem Getränk ausprobiert, genießt die totale Narrenfreiheit. Daher eigentlich kein schlechtes Hobby in diesen Zeiten.

Bouche ist im gemeinschaftlichen Atelier eines Künstlerkollektivs entstanden
Kombucha ohne industriell hergestellte Konzentrate, sondern mit eigenen Starterkulturen und neuen Brautechniken

Kombucha heißt: vom Kombucha zum Kombucha

Denn für die Fermentation eines klassischen Kombuchas braucht es im Grunde nicht mehr als „eine Kombucha-Kultur, eine Kombucha-Starterflüssigkeit, Tee und Zucker“, erklärt Maximilian Seedorf aus der Kombouchery. Seinem Team geht es vor allem um das rohe Naturprodukt, weshalb man hier nicht pasteurisiert und nicht filtriert; auch seien noch alle gesunden Nährstoffe enthalten.

Fabio Carlucci, Gründer und Brauer bei Roy, tut sich mit der Frage nach einer Definition sehr schwer und vergleicht den Komplex mit dem Reinheitsgebot beim Bier. Das Credo seiner Crew: „Es ist Kombucha, wenn du mit dem Kombucha einen neuen Kombucha machen kannst.“ Man sieht, es ist eine Gratwanderung – zwischen dem Lebendigen versus Zusätzen, zwischen dem Entstehenden und dem Verlorengegangenen – bei der die Maßabstände oftmals Interpretationssache sind. Er kündigt daher eine baldige, offizielle Regelung an in puncto Kombucha; in den USA besteht diese bereits, und auch die EU befindet sich im Diskurs.

Für Walker Brengel, den chemischen Kopf bei Bouche, geht es vor allem darum, „auf jegliche Konzentrate oder bereits verarbeitete Komponenten zu verzichten und die Mittel aller Teile unserer Produktionen selbst zu kontrollieren. Wir stellen unseren eigenen Starter selbst her und verwenden frische Bio-Tees, Gewürze und Obst, pasteurisieren unser Produkt nicht und fügen auch keine Zusatzstoffe hinzu. Für unseren Betrieb ist dies die einzig denkbare Vorgehensweise.“

Rupert Hoffschmidt (links) und Fabio Carlucci (rechts), die Gründer von Roy Kombucha
Der Produktionsprozess für Kombucha: eine Spielwiese mit Narrenfreiheit
Roy Kombucha in den Geschmacksrichtungen Mate, Raspberry und Ginger

Mixability von Kombucha ist ein zweischneidiges Schwert

Wir sitzen um den offen gestellten Schreibtisch der Bouche-Crew in der Marzahner Brauerei; dass es sich hierbei um ein Künstlerkollektiv handelt, ist dabei kaum zu übersehen: nicht an den Wänden und auch nicht auf den Labels der Flaschen. Für das vegetarische Sterne-Restaurant Cookies Cream produzieren sie eine spezielle Range, deren Labels von befreundeten Künstlern und Designern, Inspiratoren und Freunden entworfen worden ist; gerade zur alkoholfreien Begleitung wird der Kombucha dort hervorragend angenommen, weitere Restaurants sind bereits im Dialog mit der Brauerei.

Und natürlich die Bars. Denn wie steht es eigentlich um die Mixability mit Kombucha? Für Yannic Pöpperling, den dritten Gründer im Bunde bei Bouche, ist das ein zweischneidiges Schwert: „Einerseits wollten wir absolut, dass es sich mischen lässt, aber wir haben festgestellt, dass wir unseren Kombucha ständig auf der Grundlage einer Mischungsempfehlung verkaufen mussten, was nicht nur unser Produkt unterbewertet hat, sondern auch bei den Bartendern den Eindruck erweckte, wir würden ihre kreative Arbeit unterbewerten.“

Und auch wenn sich die Kombuchery offen ob künftiger Kooperationen zeigt, liegen die Sympathien klar auf der alkoholfreien Seite. Sie sind sich sicher, dass der Trend immer mehr Richtung alkoholfreier Getränke geht. „Das zeigen auch die vielen gut laufenden alkoholfreien Gins und Konsorten, mit denen sich unser Kombucha auch wunderbar mixen lässt.“

Für Fabio von Roy gibt es genau zwei Zielgruppen. Nämlich die Gesundheitsfritzen, die den Kombucha eben als besonders zuträglichen Drink genießen, als „Healthy Beverage“, wie er es nennt. Und dann gebe es eben diejenigen, die das Teepilzgetränk als „Craft Beverage“ ansehen: als ein Erfrischungsgetränk, das schlichtweg besser ist als viele andere, und mit dem man in jedweder Form herumspielen will – ob mit Alkohol oder ohne. Über die grundsätzliche Mixbarkeit sind sich indes allesamt überein – und ich habe versprochen, den Wunsch nach einem Kombucha Taste Forum weiterzutragen; hiermit Folge geleistet.

Kombucha im Entstehungsprozess: optisch gewöhnungsbedürftig

„Was lange währt, wird endlich gut.“

So, und falls es den einen oder anderen Fermentier-Freund nun auf neue Ideen für den Lockdown gebracht hat – zurecht; mit diesen Ratschlägen fallt ihr dabei hoffentlich nicht ganz so schnell auf die Nase wie ohne.

Max aus der Kombuchery findet, dass man gerade zu Beginn einen gut aufgestellten Online-Shop nicht unterbewerten dürfe, da er ein zweites Standbein neben Cafés und Restaurants für Gold hält. „Planung“, findet Fabio wiederum von Roy, denn das Unvorhergesehene kommt sowieso. Passt die Flaschenform zum Abfüllgerät? Gehen Packaging und Labeling so wirklich zusammen? Und, ganz wichtig: „Es gibt immer ein Verhältnis zwischen der Skalierfähigkeit und der Qualität des Produkts.“ Also: vorher überlegen, wo man hin möchte, denn nicht jeder hat Noma-Ambitionen, nicht jeder will aber auch bei Edeka stehen.

Für Kombucha muss man sich Zeit nehmen

Für Bouche ist das ewige Gesetz: „Nehmt euch Zeit für die Entwicklung eurer Kulturen und investiert in die Produktion. Wenn man irgend etwas Originelles machen und einen Unterschied machen will, liegt die Arbeit bei sich selbst. Fragt euch außerdem, was das letztendliche Ziel ist, wenn ihr die eigene Produktion auslagert?“, so Felix. Dass es nützlich ist, sich hier und da Gedanken zu machen, wenn man eine Sache beginnen will, ist so neu nicht. Sie passt allerdings zu wenigen alkoholfreien Produktionen so gut wie zum Kombucha: der eben dauert, weil er lebt: so, wie eine gute Idee.

Die Marzahner Nacht ist dunkel und mit einem Restgeschmack von Earl-Grey-Tee, Bergamottenschale und Maulbeerbaumholz auf der Zunge ist es einer der seltenen Tage, an dem ein Feierabendbier so gar keinen Sinn ergibt. So viele gute Ideen weckt dieses Marzahn.

Credits

Foto: Roy; Claire van Hoegaerden (Bouche)

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