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Köln als Epizentrum der Bar: Das war das Bar Symposium Cologne 2022

Endlich wieder mit richtigem Publikum: Nach zwei Jahren pandemiebedingtem, reduziertem Programm fuhr das Bar Symposium Cologne 2022 wieder auf voller Betriebstemperatur. Und wie sich zeigt: Der Durst danach in der Bar-Community war groß. MIXOLOGY Online mit einem Rückblick auf zwei Tage zwischen Workshops, Wissensaustausch und Wiedersehensfreude.

Convent, Show, Festival, Tales – im Grunde kann doch ein ordentliches Bar-Event nur „Symposium“ heißen, latinisiert nach dem griechischen Wort für „Trinkgelage“, dem Platon durch sein gleichnamiges Werk noch eine ordentliche Portion Erotik mitgegeben hat. Aber freilich hat Köln ein Symposion, beziehungsweise ein Bar Symposium, was denn auch sonst? Da simmer dabei, dat is prima!

Nun ist es ja bei diesem Themenbereich schöner Brauch, die Theorie des Getränks auch mit der Praxis zu verbinden, aber das findet meiner parteiischen Ansicht nach in einem hochprofessionellen Ambiente statt und hat nichts von den unästhetischen Auswüchsen einer durchschnittlichen Tagung bundesdeutscher Versicherungsvertreter an sich.

Worüber gesprochen wird, muss auch verkostet werden
Auch internationale Vortragende waren vor Ort, hier spricht Marian Beke (The Gibson, London) über Gewürze

Beim BSC zählt Inhalt, und zwar nicht der des Glases

In Köln hat das eben Klasse, das merkt man schon an „Symposium“. Tatsächlich ist der Harbour Club, gelegen im rechtsrheinischen, mit viel Gentrifizierungspotential ausgestatteten Mühlheim, ein Industriedenkmal mit viel Charme, das ein wenig an die alte Heimstätte des BCB erinnert. In deutlich kleiner, natürlich. Außerdem liegt der Fokus auch nicht in der Darstellungsgelegenheit großer und kleiner Brands samt deren vielen verschiedenen Tasting-Becherchen, sondern auf den Vortragenden. Beim BSC zählt Inhalt, und zwar nicht der des Glases.

Das kulinarische Angebot auf der Messe dient der Grundversorgung und eventuell auch der Katerbekämpfung, da natürlich auch in Köln eine derartige Veranstaltung von einer Unzahl an Gastschichten umrahmt wird. Im Umkreis von 500 Metern um das Gelände scheint es kaum etwas bis gar nichts an alternativen Zeitvertreiben zu geben, und so hat der ADHS-geplagte Shakerzauberer eigentlich gar keine andere Wahl, als sich das Wissen erweitern zu lassen.

Aber das lohnt sich mal richtig. Nicht umsonst wurde dem Bar Symposium Cologne bei den MIXOLOGY Bar Awards 2022 der Ehrentitel als Navigator verliehen – und das trifft es schon sehr gut, und nicht nur wegen der maritimen Location. Die 2018 von Felix Engels, Dominique Simon und Dominik Mohr ins Leben gerufene Veranstaltung verstand sich von Anfang an nicht als weiteres Meet and Greet der Industrie, sondern als sachorientiertes Forum, dessen Thematiken, sorgfältig kuratiert (so, damit wurde dieses Wort endlich auch mal untergebracht), ganz bewusst auch über den Glasrand hinausschauen sollen.

Die Stimmung am Bar Symposium war zwei Tage lang gut
Der Großteil der deutschen Barszene war in Köln vor Ort

Viel Zeit in Themenauswahl und Referent:innen investiert

„Wir haben uns kontinuierlich weiterentwickelt. Im zweiten Jahr haben wir Workshops dazu genommen, danach konnten wir ja zwei Jahre nur ein sehr kleines Programm anbieten. Und heute – Besucheranzahl top, auch die Verteilung auf die Bühnen, wo ja viel gleichzeitig laufen muss, um die Leute unterzubringen,“ so Dominik Mohr, und die gleichmäßige Verteilung der Besucher liegt wohl daran, dass man sich teils mit der Entscheidung richtig schwer tut, welchem Vortrag man den Vorzug gibt: Will man sich mal grundsätzlicher mit dem Begriff Terroir auseinandersetzen, ist die Kreislaufwirtschaft rund um ein neues Getränkegebinde wichtiger oder mag man einfach wissen, was die Macher vom Gekko House so antreibt? Schwierig.

Der BSC setzt also auf Qualität, um die Menge zu zerstreuen. „Das ist auch das Spannendste, was uns das ganze Jahr beschäftigt: die Themenauswahl und die Auswahl der Referenten. Und da haben wir uns auch verbessert. Früher hatten wir eben viel aus der Barszene, aber irgendwann ist die Inspiration aufgebraucht, und dann braucht man Speaker aus anderen Branchen, um sein Wissen zu erweitern,“ erklärt Dominique Simon.

Das BSC wurde 2018 von Felix Engels, Dominik Mohr und Dominique Simon (v.l.n.r.) ins Leben gerufen und hat sich rasch zu einem Epizentrum der deutschen Barszene entwickelt

Wissenslücken aufdecken und Reue zeigen

Das Ergebnis des einjährigen Brainstormings lässt sich sehen: Als erster Referent bringt Marian Beke seine Zuhörerschaft auf Betriebstemperatur, indem er in 90 Minuten 40 exotische Gewürze erklärt und allgemein verkosten lässt, wobei er zum einen große Wissenslücken in seinem (vielleicht zu fermentationsaffinen?) Publikum aufdeckt und zum anderen erahnen lässt, in welcher Schlagzahl im Gibson geackert wird. Ich verlasse den Vortrag mit dem sicheren Gefühl, abgenommen zu haben.

Irgendwie ist alles hörenswert. Die großen Namen sind nicht des Namens wegen eingeladen worden, sondern deswegen, was sie etwas zu sagen haben. Vor der Concept Stage kann man sich Gedanken darüber machen, wie viele Gedanken sich Menschen gemacht haben, bevor sie ihre Bars eröffnet haben, um dann nach Eröffnung festzustellen, dass sie sich nicht genug Gedanken gemacht hatten. Alex Kratena gesteht außerdem, dass er wohl ein wenig am gefährlich-verlockenden Popstar-Image der Bartenderzunft mitschuldig ist. Anne Linden, Chloé Merz und Ann-Sophie Brune-Bau beschäftigen sich mit diesem Erbe und sagen, wenn schon, dann ordentlich, und gehen bei Instagram in die Tiefe. Heftiger Andrang herrscht in der Metaebene, als Christopher Peterka unter dem Motto „Resifuckinglienz“ das Anforderungsprofil einer Zeit beschreibt, in der Krise zum Alltag zu werden scheint. Die Überfüllung des Raums spricht für sich.

Zwei Tage lang wehten die Flaggen in Köln im Zeichen der Barkultur

BSC als Betriebsausflug der deutschen Brett-Szene

Aber natürlich ist das Bar Symposium Köln auch ein großes Wiedersehen der Industrieangehörigen; umso intensiver, da das Event ja so eine hochverdichtete Maggi-Ausgabe ähnlicher Veranstaltungen ist. Man umarmt sich durch die Menge und freut sich. Abends zeigt dann auch Köln seine Mixologiequalitäten in der Praxis. Suderman und Spirits sind gewissermaßen die Keimzellen des Symposiums und haben gut zu tun, im The Grid gibt’s was, das einem Betriebsausflug der deutschen Brett-Szene gleicht, das Woods gleich die Straße rauf bringt in seinen überschaubaren Räumlichkeiten mehr Gäste unter als früher Clowns in einen VW Käfer passten, undsoweiterundsofort.

Auch hier gilt leider: Man kann nicht überall dabei sein. Und auch wenn das Seiberts leider sonntags und Montags geschlossen hat, zeigt Köln auch hier mal wieder, dass es mehr kann als Karneval. Man hat Erfahrung in der friedlichen Koexistenz verschiedener Welten, vorbildlich demonstriert in der Friesenstraße, wo neben Woods und The Grid auch ein monumentales Irish Pub, eine Lesbenbar, ein Kölsches Brauhaus, ein Cocktailschuppen mit dem vielversprechenden Namen „Mai Tai“ und überhaupt alles Mögliche zu finden ist. Vorbildlich. Der Navigator BSC hilft dabei, sich zurechtzufinden, und nach kürzester Zeit scheint es völlig normal zu sein, und man fragt sich, warum das nicht überall so sein kann.

Da warma dabei, dat war prima.

Credits

Foto: Franziska Klein

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