Auf Bartour in Breslau: Fünf Bars in Wrocław
Bars fernab der ausgetretenen Pfade und globalen Bestenlisten sind die Spezialität unseres reisenden Autors Robert Schröter. Dieses Mal steht der Shooting Star der polnischen Städte auf dem Menü: Wrocław alias Breslau. Wo lässt sich im Herzen von Schlesien gut trinken? Wir präsentieren die besten Bars in Wroclaw.
Ein Feiertag stand vor der Tür und die Frage im Raum: Wo könnten wir unsere freien Tage verbringen? Osteuropa ist immer oben auf der Liste, Polen sowieso. Warschau? Danzig? Wäre das mal wieder was? Oder vielleicht endlich Wrocław anschauen? Also schnell Tomek Roehr, den polnischen Fachmann, kontaktiert und gefragt. Seine Antwort. „Warschau oder Wrocław? Fahrt unbedingt nach Wrocław!“ Auch andere Freunde bescheinigten der größten Stadt an der Oder den Ruf als aktuell heißeste Metropole Polens. Also Sonnencrème, Wörterbuch und Ersatzleber in den Rucksack und ab Berlin per Direktzug in die Hauptstadt des ehemals so reichen Schlesiens! Schon beim Ausstieg aus dem Zug in Wrocław springt die „Mixability“ des alten Breslau ins Auge: Bereits der Hauptbahnhof ist eine fröhliche Mischung aus Tudor- und Jugendstil. Rückblickend muss gesagt werden, diese Stadt zwischen vielen Oderarmen ist ein fröhliches Amalgam aus Jahrhunderten der Kulinarik- und Architekturgeschichte. Aber der Reihe — also der Bar — nach:
Bridge Bar
Plac Katedralny 8
50-329 Wrocław Polen
Bridge Bar
Ein wahrhaft sommerlicher Ort ist die auf einer der zahlreichen Oderinseln gelegene Bridge Bar. Von einer der vielen, baumbestandenen Kopfsteinpflastergassen öffnet sich dieser Minipark eines Luxushotels für jeden Gast. Foodtruck und Bar sorgen für das leibliche Wohl unter großen Sonnenschirmen. Innovatives wird gereicht in dieser Open-Air-Bar: ein Mix aus Wermut, Grapefruit, Stachelbeere und Curryblättern ist wunderbar zestig. Irish Whiskey, Kürbiskernöl, Cold Brew Kaffee, Tonic oder Irish Whiskey, Pfeffer, Buchweizen und Apfel sind weitere Beispiele für erfrischende Highballs. Auch die Barsnacks sind modern gedacht mit klarer osteuropäischer Komponente. So lässt sich bei zurückhaltender Musik und professionellem Tischservice das Panorama der mittelalterlichen Dome gut genießen!
Szynkarnia
Szynkarnia wiederum ist eine erfrischende, junge Bierbar. 17 Biere gibt es vom Hahn, über 100 verschiedene in Dosen und Flaschen. Hier zeigt sich nicht nur die breite, sondern eben auch die sehr mutige polnische Bierszene. Dem Namen entsprechend („Szynka“ heißt Schinken oder auch Wirt, „-karnia“ beschreibt einen Ort, an welchem etwas dargereicht oder verkauft wird) werden polnische Wurst- und Käsebretter, Flammkuchen und einige wenige Biercocktails angeboten. In erster Linie gibt es aber permanent wechselnde und progressive Biere, an die man sonst nur schwierig gelangt. Schweres, schwarzes Rauchbier gibt es ebenso wie Gose. Am spannendsten ist jedoch das in Polen voran getriebene Pastry Sour. Wir können von gleich drei verschiedene Sorten am Hahn wählen. Wen Schwarzwälder Kirschtorte, Passionsfrucht-Mango-Pfirsich oder Piña Colada schon immer mal als Bier interessierten, ist bei den Warschauer Brauern genau richtig. Für alle anderen (liebe Bier-Purist:innen) besucht lieber gar nicht erst die Webseite der Brauer Funky Fluid …
Świętego Antoniego 15
50-073 Wrocław
Incognito
Wer von der Speakeasy-Welle noch immer nicht genug hat, der ist im treffend benannten Incognito genau richtig. Durch das Café im Erdgeschoss muss der Zugang zur Bar im Keller gesucht werden. Abends bedeutet dies auch gerne mal einen Parcours durch Putzpersonal, Wischeimer und -mop, was das Speakeasy-Schnitzeljagdgefühl deutlich erhöht. Aufgrund des Nichtbeachtens durch das Putzpersonal wähnen wir uns auf dem richtigen Weg. Speakeasy durch und durch. Es gibt keine Karte, nur die Empfehlung des (offensiv von Getränkekonzernen gebrandeten) Personals. Jene Beratung droht nach ein, zwei Nachfragen jedoch schon an ihr Ende zu geraten. Weswegen wir Hanky Panky, Negroni und Bobby Burns zustimmen. Ersterer erhielt leider einen ziemlich großen Schluck Fernet, zweiterer war überrraschend pink und klein, der Bobby Burns kommt mit Bourbon. Die gute Soulmusik entschädigt zwar für diese kleinen Unregelmäßigkeiten. Das Gefühl, als Gäste das Interesse der Mitarbeiter nicht so recht geweckt zu haben, bleibt jedoch. Vielleicht war es einfach einer dieser Tage …
Papi Chulo Cantina
Tomek Roehrs kürzlicher Ausstieg aus der Barwelt ist ein herber Verlust — nach all den Jahren! Nichtsdestotrotz bleibt er am Puls der Zeit und empfahl die Papi Chulo Cantina: ein mexikanisches Restaurant mit klarem Fokus auch auf mexikanische Getränke. Das Restaurant befindet sich im Keller eines Plattenbaugebietes, welches noch den Pragmatismus des polnischen Realsozialismus atmet. Durch die Hintertür gelangen wir ins farbenfrohe Kellergeschoss. Durch breite Fenster fällt ausreichend Licht auf die über Hundert Sitzplätze. Viele Kakteen und lateinamerikanische Musik vermitteln zügig Flair. Abgesehen von sehr gutem Essen zum Teilen gibt es auch professionellen Service. Uns bedient Maria, ausgebildete Tequila- und Mezcal-Sommlière, die über ein umfangreiches Menü verfügt. Es gibt solide gemachte Cocktails und Apérodrinks auf nicht ganz so solidem Eis. Heraus stechen ein Tepache-Drink, ein runder, weicher Tommy’s Margarita und ein Negroni, welcher mit Maisstrünken geräuchert wird. Wahrlich etwas für Bitter-Liebhaber! Darüber hinaus findet sich eine kleine Auswahl von Michelada-Variationen. Scharf und treffsicher leiten sie das Mahl ein und bereiten vor auf diverse Agavendestillate. Denn Maria kann aus dem Vollen schöpfen: Neben Dutzenden Tequila und Mezcal bietet sie auch Sotol, Bacanora, Raicilla und den mexikanischen Rum Paranubes an. Wer sich also diesbezüglich weiterbilden will, ist hier für einen vergleichsweise niedrigen Preis ganz vorne mit dabei. Und bekommt nebenbei noch fantastische Gerichte, darunter weltmeisterlich gegrilltes Huhn vom mexikanischen Chefkoch!
Grunwaldzka 67
50-357 Wrocław
Bistro Charlotte
Świętego Antoniego 2/4
50-073 Wrocław Polen
Bistro Charlotte
Wird wiederum nach einem ganz wunderbaren Frühstück gesucht, ist man richtig im Café Charlotte. Diese kleine Kette von Boutique-Cafés aus Warschau findet sich in einem Industrie-Komplex der Gründerzeit. Den Berliner Hackeschen Höfen zum verwechseln ähnlich, beherbegen diese kunstvoll gefliesten Höfe diverse Läden und Gastronomien. Das Charlotte zieht mit seinem permanent frisch gebackenen Brot und landesweit bekannten, belegten Stullen Scharen hipper Schlesier:innen an. Im sonnendurchfluteten Industriechic wird vor allem polnisch und ukrainisch gesprochen, wenig Deutsch, noch weniger Englisch. „Brot & Wein“ ist der Slogan — und so präsentiert sich auch die Karte. Im Verhältnis zu Cocktails sind die Kaffees der Stadt eher teuer. Vergleichbar mit Kaffees deutscher Großstädte sind Preise — aber auch die Qualität. Drinks hingegen kosten nur die Hälfte der bei uns üblichen Preise. Weswegen wir in schönster Sonntagsmanier neben den belegten Broten die Getränkekarte testen. Pastis Whisky Sour wird uns auch im größten Trubel akkurat und zügig zubereitet. French Martini und Calvados Tonic sind ebenso zu haben und in diesem Croissant-schweren Café wohl auch als Nicken in Richtung Frankreich zu verstehen. Eine solide kleine Wein- und Schaumweinkarte rundet das Bild ab. Ein besuchenswerter Ort von früh bis spät!
Credits
Foto: Aufmacher: Incognito; Bistro Charlotte: Jacek Kolodziejski
