Warum es Zeit ist, den Genever Fix von seinem Schattendasein zu befreien
Steile These direkt zum Anfang: Die meisten Bartender können nicht erklären, um was es sich bei einem Fix genau handelt! Warum? Weil er keine Rolle (mehr) spielt? Oder weil er in seinem Wesen so schwer zu greifen ist? Also: Was ist ein Fix denn eigentlich genau? Es gilt etwas genauer hinzusehen, um diese Frage beantworten zu können.
Genever Fix (Zeitgenössische Version nach Gabriel Daun)
Zutaten
5 cl Old Duff Genever
1,5 cl frisch gepresster Zitronensaft
1,5 cl Ananassirup
0,25 cl Chartreuse MOF
Beginnen wir so: Ich halte den Fix für eine eigentlich bis heute existente, eigenständige Unterkategorie des Feldes, in dem auch Sours, Daisys und im erweiterten Sinne auch Fizzes und Collinses stattfinden. Der Fix tauchte bereits in den 1850ern und somit noch vor dem Gimlet, dem Tom Collins und vor dem Ramos Gin Fizz auf, verschwand aber nach etwa 60 Jahren plötzlich aus den Cocktailbüchern und von den Barkarten und ward nie wieder gesehen.
Allerdings denke ich: Es wird lediglich der Begriff „Fix“ mittlerweile kaum noch verwendet, er wird jedoch – vermutlich, ohne dass es den meisten bewusst ist – weiterhin unzählige Male in nur leichter Abwandlung seiner ursprünglichen Definition zubereitet.
Ein Gin Fix ist kein Gin Fix
Zubereitet wurde der Fix im 19. Jahrhundert zunächst (wie die meisten Drinks) entweder mit Brandy (d.h. Cognac), St. Croix Rum (ein von Vanilletönen geprägter Rum der Jungferninseln, der sich damals großer Beliebtheit erfreute) oder eben Gin. Allerdings: Wenn es bei Bartendern wie Jerry Thomas oder Harry Johnson um „Gin“ ging, war mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit Holland Gin gemeint, und wenn Holland Gin gemeint ist, bedeutet das eigentlich: Genever! Somit handelt es sich bei einem Gin Fix per definitionem um einen Drink mit Genever.
Starten wir mit dem Rezept aus Jerry Thomas’ überarbeiteten Bar-Tenders‘ Guide von 1887 als Ausgangspunkt:
Gin Fix.
(use small bar glass.)
Take 1 large tea-spoonful of powdered white sugar dissolved in a little water.
2 dashes of raspberry syrup.
The juice of a quarter of a lemon.
1 wine-glas Holland gin.
Fill up the glass two-thirds full of shaved ice, stir thoroughly, and ornament the top with berries in season. Old Tom gin may be used if preferred.
Tatsächlich funktioniert der Drink nicht mit einem London Dry Gin. Ein Genever nach altem Vorbild, sprich einer mit einer deutlich zu erschmeckenden Portion moutwijn, der einem ungelagerten Whisky geschmacklich mehr entspricht als einem Gin, ergibt die besten Ergebnisse bei der Zubereitung eines Gin Fix. Wem der Drink mit Genever zu malzig ist (was ich mir eigentlich nicht vorstellen kann), der möge, wie von Thomas bereits angemerkt, zu einem Old Tom Gin greifen, der nicht über die Schärfe eines London Dry verfügt.
Woher kommt der Name?
Eine Theorie zu der Frage, woher der Fix seinen Namen hat, lautet, er gehe auf den Begriff „Fix-Up“, zurück – im 19. Jahrhundert neigte man noch dazu, einen Kater, grundsätzliches Unwohlsein oder wie auch immer geartete andere Wehwehchen mit einem Drink zu „reparieren“.
Eine weitere gängige Erklärung lautet, sein Name leite sich davon ab, dass der Drink direkt im Glas zubereitet wird („Fixed in the glass“). Sasha Petraske hielt dies für das Hauptmerkmal eines Fix, weshalb auch Drinks wie der Mojito oder der Queen‘s Park Swizzle von ihm in die Kategorie der Fixes eingeordnet wurden.
Ich stimme ihm nur bedingt zu: Die Zubereitung im Glas halte ich zwar für ein Wesensmerkmal des Fix, aber das trifft beispielsweise auch auf einen Collins zu, dem der Mojito viel wesensnäher ist. Apropos Glas: Der Fix und der Sour waren vermutlich die ersten Getränke, die, wie oben in Thomas‘ Rezept zu lesen ist, nicht nach einem large bar-glass, sondern einem small one verlangten.
Fix vs. Sour
Der Fix markiert zusammen mit dem Sour den Übergang vom Punch zum individuell zubereiteten Drink. 1856 tauchten beide als generische Begriffe, sprich als Kategorien, erstmals in der Barkarte des Mart Ackermann‘s Saloons in Toronto auf. Bei beiden handelt es sich grundsätzlich um kleine, kurze Abkömmlinge des Punch, die aus Spirituose, Zitronensaft und mindestens einer Zuckerquelle bestehen. Im Gegensatz zum Sour basierte die Zuckerquelle im Fix nach einigen Jahren oftmals auf einer Frucht. Außerdem wurde er stets mit Früchten oder Beeren dekoriert (ja, auch schon vor Instagram gaben sich Bartender bisweilen Mühe, Drinks ansprechend aussehen zu lassen) nicht geshaked, sondern im Gastglas auf zerstoßenem Eis gerührt, und deshalb immer auch auf Eis serviert.
Bemerkenswerterweise ist die gesamte Gattung der Fixes, die bis zu den 1920er Jahren in praktisch jedem Bar-Buch zu den relevantesten gezählt wurde, spätestens nach der Prohibition so gut wie völlig vom Sour verdrängt worden. Oder besser: Der Begriff „Fix“ konnte sich nicht gegen den Begriff „Sour“ durchsetzen, sondern wurde unter ihm subsumiert.
Ein Sour wurde im 19. Jahrhundert nach dem Shaken oftmals straight up, also ohne Eis serviert, was für mich einen der ursprünglich größten Unterschiede zwischen den beiden Kategorien ausmacht – dass ein Sour on the rocks serviert wird, ist heute allerdings eher die Regel als die Ausnahme. Dabei handelt es sich bei einem Sour auf Eis eigentlich um nichts anderes als einen Fix ohne Garnitur!
Himbeere, Brombeere, Kirsche, Rhabarber … und Ananas!
Was den Zucker betrifft, wähne ich den Fix im Vergleich zum Sour einen Hauch mehr auf der süßen Seite. Jerry Thomas bemerkt in seinem Sour-Rezept in der Erstausgabe seines Buches 1862, der Sour werde genauso wie der Fix zubereitet, mit dem Unterschied, dass auf alle Früchte bis auf ein Stück Zitrone verzichtet werden kann, die zusätzlich ins Glas gepresst werden soll.
Die Zugabe einer Fruchtkomponente in Form eines Sirups oder Likörs wurde wie bereits erwähnt bei Fixes irgendwann gängige Praxis (an diesem Punkt entstand ein mehr oder weniger fließender Übergang zur Daisy). Während Jerry Thomas Himbeersirup als Zutat eines Fix nennt, findet sich Cherry Brandy (also ein Likör) während der Prohibition bei Harry McElhone (Barflies and Cocktails, 1927), Harry Craddock (The Savoy Cocktail Book, 1930) und James A. Wiley und Helene M. Griffith (The Art of Mixing, 1932, ein Buch, das bemerkenswerterweise noch während der amerikanischen Prohibition in den USA verlegt wurde).
Neuere Fix-Rezepte von der britischen Insel aus den 1980er-und 1990er-Jahren, die meist mit London Dry Gins zubereitet werden, greifen beispielsweise auf Rhabarbersirup zurück; oder auf Brombeerlikör, denn auch bei einem der bekanntesten Drinks von Dick Bradsell, dem Bramble, handelt es sich in meinen Augen um einen Fix.
Zeit, den Fix aus seinem Schattendasein zu holen
Der Löwenanteil der Rezepte, die in den wenigen Jahrzehnten, in denen der Fix eine Rolle spielte, notiert wurden, verlangen aber nach einer anderen Frucht, die erstaunlich gut mit Genever zusammengeht: Ananas. Bereits Harry Johnson notiert Ananassirup in seinem Bartenders’ Manual 1882 für einen Fix als Zutat. Ihm schließen sich O.H. Byron (The Modern Bartenders’ Guide, 1884), Albert Barnes (The complete bartender. Art of Mixing Plain and Fancy Drinks, 1884), Henry J. Wehman (Wehman’s Bartenders’ Guide, 1891) und George J. Kappeler (Modern American Drinks, 1906) an. Ferner auch Carl A. Seutter (Der Mixologist, 1925) und der Nachzügler Martin Heile (Der perfekte Mixer, 1950), um nur einige zu nennen.
Auch Orangenliköre oder Chartreuse kommen in manchen Rezepten zusätzlich ins Spiel. Ich denke, es ist auch immer noch legitim, von einem Fix zu sprechen, wenn frische Früchte bei der Zubereitung zerstoßen und mitgeshaked werden. Die Möglichkeiten sind mannigfaltig. Es ist jedenfalls Zeit, den Fix aus seinem Schattendasein zu holen und wieder auf die Karten zu schreiben!
Credits
Foto: Sarah Swantje Fischer
Philipp M. Ernst
Sehr interessanter Artikel ☺️
…werden des Lesens habe ich auch an den Bramble gedacht – dann hast du diesen erwähnt… ?!
Liebe Grüße aus Wien
Fabian
Mir ist leider immer noch nicht klar, was ein Fix denn nun ist. Ich hatte den Eindruck beim Lesen, es wurde nur drum herum geredet.
Gabriel Daun
Lieber Fabian,
steht durchaus alles im Text oben, ohne dass man zwischen den Zeilen lesen müsste. Ich habe Dir die wichtigsten Merkmale aus dem Text mal mundgerecht zusammenkopiert:
Der Fix markiert zusammen mit dem Sour den Übergang vom Punch zum individuell zubereiteten Drink […] Bei beiden handelt es sich grundsätzlich um kleine, kurze Abkömmlinge des Punch, die aus Spirituose, Zitronensaft und mindestens einer Zuckerquelle bestehen.
Im Gegensatz zum Sour basierte die Zuckerquelle im Fix nach einigen Jahren oftmals auf einer Frucht.
Außerdem wurde er stets mit Früchten oder Beeren dekoriert, nicht geshaked, sondern im Gastglas auf zerstoßenem Eis gerührt, und deshalb immer auch auf Eis serviert. […] Ein Sour wurde im 19. Jahrhundert nach dem Shaken oftmals straight up, also ohne Eis serviert, was für mich einen der ursprünglich größten Unterschiede zwischen den beiden Kategorien ausmacht – dass ein Sour on the rocks serviert wird, ist heute allerdings eher die Regel als die Ausnahme. Dabei handelt es sich bei einem Sour auf Eis eigentlich um nichts anderes als einen Fix ohne Garnitur!
Was den Zucker betrifft, wähne ich den Fix im Vergleich zum Sour einen Hauch mehr auf der süßen Seite.
Ich hoffe, das hilft ein bisschen beim Verständnis …
Beste Grüße,
Gabriel