Inventur am 18. Juni 2023 – Die Symbiose aus Drag Shows und Craft Beer & und das neue Kwānt
Der Espresso Martini hat in den letzten zwei Jahren einen Höhenflug hingelegt und ist von einem Cocktail, der großteils nur in der Barszene zirkulierte, zu einem jener Drinks geworden, die – ähnlich wie Gin Basil Smash oder Moscow Mule vor ihm – einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist. Warum das so ist, lässt sich nicht genau benennen, aber wir haben bereits verschiedene Theorien aufgestellt. Zu jenem Zeitpunkt gab es den Parmesan Espresso Martini noch nicht, der vor wenigen Monaten viral ging und den Cocktail in noch höhere Bekanntheitssphären katapultierte. Wir haben der Hartkäse-Variante diese Woche ein Feature gewidmet, während das Punch Magazine bereits von dem schreibt, was unweigerlich kommen musste: dem alkoholfreien Espresso Martini, dem Espresso Notini. Ein Kaffeecocktail ohne Alkohol, ist das am Ende … Kaffee? Aber egal, ob dieser Sonntag mit einem Espresso Martini oder einem Espresso eingeläutet wird, er startet am besten mit unserer wöchentlichen Inventur.
Die Symbiose aus Drag Shows und Craft Beer
Unser erster, lesenswerter Beitrag führt in die USA: Dort hat sich eine erstaunliche Symbiose aus Craft Beer Brauereien und Drag Shows entwickelt, wie das Imbibe Magazine schreibt. Die Schank- und Besucherräume von immer mehr Brauereien würden nämlich landesweit zu Bühnen für Drag-Performer. Vor der Pandemie seien viele Brauereien eine Art lebhafte Nachbarschaftszentrun gewesen, um während der Pandemie zu leblosen To Go- und Versandstationen zu werden. Daran laboriert man immer noch, und nach wie vor fließt bei vielen Kund:innen die letzte Runde – auch ein hierzulande bekanntes Phänomen – wesentlich früher als Prä-Covid.
Dieser Umstand wird auch durch die Drag Shows aufgegriffen, die häufig als Brunches oder Breakfast umgesetzt werden und sich hoher Beliebtheit erfreuen. Gerade auch angesichts der Tatsache, dass erst im April diesen Jahres die in den USA prominente Biermarke Bud Light nach einer Kampagne mit der Trans-Aktivist:in Dylan Mulvaney massive Boykottaufrufe und Proteste aus dem stramm-konservativen Lager zu verkraften hatte, die sogar einigen Verantwortlichen ihre Jobs kostete (wir berichteten), ist diese Erfolgskombination ein erstaunliche und erfreuliche Tatsache. Denn dass seit dem Februar laut Bericht Gesetzgeber in neun Bundesstaaten mindestens 20 Gesetzesentwürfe vorgelegt hätten, die Drag-Performances einschränken oder verbieten würden, zeigt nicht zuletzt, wie zerbrechlich diese Liaison ist und wie starr die gesellschaftlichen Fronten in den USA – und leider nicht nur dort – verlaufen.
Erik Lorincz eröffnet sein Kwānt 2.0
Auch Erik Lorincz hat die Pandemie schwer getroffen. Der Slowake, der nach wie vor für seine prägenden Jahre in der American Bar des Savoy in London bekannt ist, eröffnete etwa ein halbes Jahr, bevor Covid die Welt lahmlegte, seine erste, eigene Bar, das Kwānt. Die Location teilte er sich damals mit einem Restaurant, und da dieses angesichts der Pandemie wirtschaftlich klein bei- und aufgeben musste, war auch der Traum für Lorincz bald vorbei. Das war keine leichte Zeit, wie der stets souverän wirkende Lorincz uns im letzten Jahr in einem offenen Interview mitteilte.
Bei diesem lässt er aber auch bereits Pläne für eine Wiedereröffnung an einem anderen Ort erkennen, und nun ist es soweit: Dieser Tage wurde in der Stratton Street 53 im Stadtteil Mayfair das neue Kwānt eröffnet. Die Bar, deren Drinks die elegante Handschrift des ehemaligen World Class Gewinners tragen und deren Barfood von einem ehemaligen Sternekoch kreiert wird, brachte Hamish Smith jedenfalls dazu, erstmalig in der Geschichte des Class Magazine eine 10 von 10 zu vergeben.
Künstliche Intelligenz in Bars ist bereits da
Künstliche Intelligenz in Bars? Ist schon da. Zumindest laut einer Bestandsaufnahme von VinePair, die zeigt, dass viele Gastronomien die nächste Stufe der digitalen Revolution nicht fürchten, sondern für sich einsetzen. Das passiere auf vielfältige Weise, entweder in der Erstellung von Flyern, Texte für soziale Medien, Schulungsmaterial für Mitarbeiter:innen, der Planung von Veranstaltungen oder für eine akkuratere Übersetzung des eigenen Konzeptes in eine Fremdsprache bei einer Gastschicht. Und natürlich auch in der Kreation von Drinks, dem Punkt, der wohl am kritischsten betrachtet wird, da er auf den elementaren Kern des Bar-Handwerks zielt: Spuckt die KI auf Knopfdruck Rezepte aus, für die bislang jahrelange Erfahrung notwendig war?
Nicht unbedingt, denn der Text macht klar, dass die Künstliche Intelligenz bei Cocktailrezepturen eher als Inspiration zu sehen ist, an deren Resultate man sich entlanghantelt, und weniger für fertige Drinks verwendet wird, die auf die Karte geschrieben werden können. Generell wiegt der Text Vor- und Nachteile ab, schürt aber keine Ängste. „Wir setzen diese Technologie zwar ein, aber mit gewissen Einschränkungen, und wir werden sie nicht einsetzen, um Menschen zu ersetzen – die Idee ist, die Arbeit zu erleichtern und unserem Team etwas Zeit zurückzugeben“, wird eine Barbetreiberin zitiert. Vor allem aber macht der Beitrag klar: Es gibt kein Zurück zu einem Vor-KI-Zustand.
Das schottische Comeback von Rye Whisky
Der weltweite Ruf der schottischen Whiskyindustrie gründet sich auf Produkten aus Gerste. So weit, so bekannt. Weniger bekannt ist, dass auch Roggen seine historische Verwendung in Schottland fand, Aufzeichnungen darüber reichen bis ins Jahr 1784 zurück, bis vor Kurzem aber war er mehr oder weniger „ausgestorben“.
Nun aber, so schreibt Club Oenologique, finde der würzige und komplexe Geschmack von Rye Whiskey weltweit immer mehr Liebhaber:innen, ob pur oder auch als Cocktail-Zutat, und diese wachsende Beliebtheit des (vornehmlich) US-amerikanischen Whiskeys habe in den letzten zehn Jahren Brennereien aus aller Welt inspiriert, Rye zu produzieren. Nicht zuletzt eben auch schottische Destillerien, die sich zunehmend dem Thema annehmen und ihrer heiligen Gerste den Roggen dazustellen. Das ist keine Häresie, sondern eine sinnvolle aromatische Erweiterung, die durchaus noch weiterwachsen wird. Wir hatten in unserer letzten Verkostungsrunde mit dem RyeLaw auch einen überzeugenden Vertreter der noch jungen Zunft.
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