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Ein leiser Abschied: Keita Djibril blickt zurück auf 22 Jahre Silver Bar

Vieles ist erstaunlich an Keita Djibril, dem Wiener Bartender, der keinen Alkohol trinkt. Seit den 1980er Jahren aktiv, trat der 67-jährige nun nach 22 Jahren in seiner „Silver Bar“ im Hotel Triest in den Ruhestand. Über prominente Gäste schweigt er nobel. Zu erzählen hat der gebürtige Senegalese aber auch so genug.

1980er: „Planter’s Punch“ und leere Aquarien

Denn Keita Djibril stand bereits hinter dem Tresen, als es noch nicht einmal die Trinkstätten des „Wiener Bar-Wunders“ der 1990er gab. „In den Achtziger Jahren steckte die Bar- bzw. Cocktailszene in Wien noch in den Kinderschuhen“, lautet sein Befund im Rückblick. „Die Menschen kannten und tranken nur „Tequila Sunrise“, „Planter’s Punch“ sowie „Piña Colada““. Dafür allerdings wurden in den Bars sehr viele Spirituosen noch pur konsumiert. Wobei reine Cocktailbars einen schweren Stand hatten: „Bier und Wein waren damals eher die Regel als die Ausnahme.“

Von den drei Trinkstätten, in denen der junge Keita mixte – „Die Bar“, „African Pot“ und „First Floor“ –, gibt es auch nur noch eine. Und das leere Aquarium im First Floor gibt Nachgeborenen bis heute eine Ahnung, wie sehr solche Sinn-freie Inszenierungen in einer Stadt begeisterten, wo sich nicht nur eine Handvoll Avantgardisten, sondern eine ganze Generation aus dem Nachkriegsgrau löste.

Freiräume für das „Nützlichkeitsgehirn“ hätten das die Dadaisten genannt – und endlich gab es Architekten, die sie gestalteten. Aber auch Barmänner, die sie mit neuen Drinks bespielten: „So richtig florierte die Barszene erst in den 1990er Jahren in den ersten Kult-Bars wie dem „Dino’s“, Mario Castillos „Barfly‘s“ oder dem „Nightfly‘s““. Damit änderte sich auch das Trinkverhalten. „Das hat sich immer mehr in Richtung Cocktails entwickelt“. Es war die Zeit der nachgeholten oder imaginierten Urlaubsreisen im Glas. „Tropical Barbooks“ und Coladas standen an der Tagesordnung. Oder, in der Analyse Keita Djibrils: „Die Kreativität, sowohl in der Zusammensetzung als auch in der Optik des Drinks, ist sehr wichtig geworden. So wichtig, dass manchmal sogar das Hauptaugenmerk nicht mehr auf den Geschmack gelegt wird. Ich finde aber, dass dieser immer im Vordergrund stehen sollte.“

1990er: Coladas und Geruchstraining

Womit man nicht umhin kommt, die Spezialität des Manns aus dem Senegal anzusprechen: Keita Djibril gehört zu den abstinenten Bartendern. „Ich koste gar nicht – ohne Ausnahme und noch nie. Das klingt unglaubwürdig, ist aber so! Meine Schulkollegen in der Gastronomieschule in Wien waren zu Beginn sehr skeptisch, meine Lehrer haben jedoch daran geglaubt. Nach meiner Ausbildung habe ich die Cocktails tatsächlich streng nach Rezeptbuch zubereitet. Mit den Jahren und entsprechender Erfahrung kamen meine eigenen Kreationen, durch die sich die Sensorik meines Geruchssinns geschärft hat.“

Die gut 100 Eigenkreationen in den fünf Jahrzehnten, die er miterlebt hat, entstanden alle „der Nase nach“. Und sind entsprechend schwer in Worte zu fassen. „Ich würde sagen, es verhält sich wie mit dem Lieblingsparfüm: Man weiß, wie es riecht, aber es ist auch schwer zu beschreiben.“ Belassen wir es also dabei, dass es sich wie bei einem Dry Martini verhält: Riecht man den Wermut heraus, war es eindeutig zu viel davon. Und im Falle des Wiener Bar-Veterans darf man sich die weitere Verfeinerung seiner Methodik auch so vorstellen. Schließlich funktioniert der Geschmacksinn ohne Geruchsinn auch nicht. „Durch mein jahrlanges Ausprobieren von neuen Varianten hat sich mein Geruchssinn weiterentwickelt. Jeden Zentiliter zu viel oder zu wenig in einem Drink rieche ich heute.“

Keita Djibril trinkt keinen Alkohol und hat seine Cocktails stets per Geruchssinn konzipiert

2000er: Bar-Psychologie mit Robbie Williams

Die längste Zeit seiner Karriere stellte Monsieur Keita seine Nase in den Dienst der Silver Bar. 22 Jahre hielt es ihn an der vierten und letzten Mixstation. „Jeder Tag davon hat sich für mich angefühlt, als wäre es mein erster“, kann sich der 67-Jährige auch heute keinen anderen Beruf vorstellen: „Die Bar ist mein Leben, hinter dem Tresen zu stehen meine Erfüllung.“ Von der Hotelbar an der Wiedner Hauptstraße aus hat er die Barszene mitgeprägt. Auch wenn der winzige, silbrig schimmernde Raum gerade weit genug von der Runde der Wiener Szene im Ersten Bezirk lag.

Vor allem internationale Star schätzten die exklusive und ruhige Atmosphäre „chez Keita“. Dazu sollte man sagen, dass das von Sir Terence Conran gestaltete Designhotel zur rechten Zeit kam. Für Keita, der ab 1999 hier seine perfekte Bühne fand, vor allem aber für Wien. Das „Triest“ erwies sich als Schlafstatt der Wahl für alle, denen die ehrwürdigen, Palais-artigen Fünf-Sterner (Sacher oder Imperial) zu altmodisch waren. Keitas Nimbus als Bartender der Stars basiert auf seinen Drinks für Shakira, Coldplay, Seal oder Whitney Huston. Vor allem Robbie Williams schätzte bei seinen Wien-Aufenthalten die Intimität und Diskretion in der Silver Bar.

Die Geschichte des Cocktails für Williams beginnt ähnlich wie die des „Espresso Martini“ – nur mit dezenterer Wortwahl: „Keita, do something for me, like your choice – but a little bit fruity“, lautete die Anforderung des Entertainers. Und „Robbie“ war offenbar zufrieden: „Ich denke, ich habe seinen Geschmack getroffen, denn jedes Mal, wenn er in das Hotel kam, hat er den Cocktail bestellt. Das Rezept bleibt natürlich geheim, aber so viel sei verraten – er schmeckt nach Grapefruit und Cranberry.“

Diese Außenwirkung blieb auch dem offiziellen Wien nicht verborgen. Und so ist er auch Träger des Silbernen Verdienstzeichens der Stadt. Doch viel wichtiger sei die Wertschätzung beim Gast; „Barkeeper zu sein ist im Verhältnis zu anderen Berufen in der Gastronomie sehr angesehen.“ Die Tätigkeit gehe über das Mixen von Cocktails hinaus, ist Keitas Fazit: „Man ist ja zum Beispiel auch Psychologe und noch vieles mehr.“

2021: „Keitas Kodex“ für Jung-Bartender

Womit wir bei den Anforderungen an den Beruf wären. An seinen letzten Arbeitstagen im März 2021 schulte Keita Djibril noch das neue Team ein. Was aber bläut ein Bartender der „Alten Schule“ den hyperaktiven Mixern der Instagram-Generation eigentlich ein? „Die grundlegenden Werte bleiben immer dieselben: Höflichkeit, sich Zeit zu nehmen und zuzuhören, das finde ich erstrebenswerte Eigenschaften. Ganz wichtig ist Diskretion. Was in der Bar passiert und besprochen wird, sollte auch dort bleiben!“ Und so wird es auch zum Pensionsantritt des Wieners nichts mit Anekdoten über seine illustren Gäste. „Da bleibe ich Gentleman und muss auch ehrlich sagen, ich hatte so viele nette, liebenswerte Gäste – nicht nur Stars. Da möchte ich keine einzelne Person hervorheben.“

Auch deswegen, weil Keita das Zusammentreffen mit den Silver-Bar-Habitués schon jetzt vermisst, wie er durchblicken lässt. „Ich habe das Gefühl, dass ich viele Gäste glücklich gemacht habe. Das wird mir sehr fehlen.“ Zumal es aufgrund der Corona-Pandemie auch nicht möglich war, sich in großem Stil von diesen teils Jahrzehnte-langen Wegbegleitern zu verabschieden.

Und so gilt zum Abschluss unseres Gesprächs der wehmütige Gruß des Monsieur Keita ihnen allen: „Salute und au revoir!

Credits

Foto: Philipp Horak

Comments (1)

  • Nikolai Augustin

    Danke Dir, Roland, für diesen schönen Artilel

    reply

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