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Susan Ann MacKenzie: Zwischen Minimalismus, Mobilität und Menschenkenntnis

Susan Ann MacKenzie ist Bar-Managerin im Wabi Sabi Shibui in München. Gerne hätte Martin Bieringer, der in der gleichen Stadt wohnt, sie bei Calpis Soda und Ramen in ihrer japanisch inspirierten Wirkungsstätte besucht. Stattdessen wurde es ein Treffen per Videocall.

Susan Ann MacKenzie sitzt in einem blauen, einfarbigen Pullover vor dem Bildschirm. Die Haare sind zurückgebunden, ihr Lächeln ist kurz, herzlich und ehrlich. Es ist Nachmittag an einem Tag, an dem wir beide ansonsten vermutlich in unseren Bars wären. Mis-en-Place machen, vorbereiten, Dinge erledigen. Natürlich hätte ich für dieses Gespräch am liebsten bei ihr im Wabi Sabi Shibui vorbei geschaut. Ist aber nicht drin. Der Corona-Shutdown bringt es mit sich, dass wir uns vor dem Bildschirm begegnen.

Susan Ann MacKenzies Weg in die Bar

Es hat trotzdem eine Weile gedauert, bis wir einen Termin gefunden haben. Niemand ist untätig in diesen Tagen, auch Susan Ann MacKenzie nicht. Aber gleichmal von vorne, wie war eigentlich ihr Weg in die Gastronomie? „Durchaus nicht unüblich: Während meiner Studienzeit begann ich in einem Restaurant mit kleiner Bar im Glockenbachviertel zu jobben. Anfang der Nullerjahre war das. In genau diesem Lokal bekam ich nach meinem Diplomabschluss in Sportwissenschaften auch eine Führungsposition angeboten.“

Sie überlegte nicht lange und sagte zu. Und hat seither nicht mehr die Seiten gewechselt.

Zurückhaltend und distanziert

„Früher ging es in München weniger um den Gast, es wurde mit einer latenten Lässigkeit gearbeitet, Bartender hatten ein eher arrogantes Image. Das war aber nichts für mich“, sagt Susan Ann MacKenzie, die deutsch-schottische Wurzeln hat und seit 20 Jahren in München lebt. „Du weißt nur, dass es nicht zu dir passt, aber du bist noch jung. Ich war Anfang 20, damals konnte man sich auch nichts im Netz anlesen. Ich habe nur gespürt, dass es smarter ist, zurückhaltend und distanziert zu bleiben.“

2014 schließlich landet sie in der Goldenen Bar von Klaus St. Rainer und Leonie von Carnap. Sie beschreibt ihre dortigen drei Jahre als eine wichtige Zeit der Entwicklung – auch wenn sie froh ist, einen Tresen zwischen sich und den Gästen zu wissen.

Dieser wird bei ihrer nächsten Station jedoch allmählich aufgehoben: Sie wechselt – sozusagen innerhalb der Rainer-von-Carnap-Familie – in das Wabi Sabi Shibui, das nicht weit entfernt von der Goldenen Bar an der Ludwigstraße eröffnet wird. Ein Bar-Restaurant, das dominiert ist von einem großen Tresenblock, der die Grenze zwischen Bartender und Gast verschwimmen lässt.

Mehr Qualität als Quantität – wie immer

„Ich bin auch kein Hierarchie-Fan”, beschreibt sie ihre Arbeitsphilosophie, „inzwischen mache ich wahnsinnig gerne Service.“ Dass nun manchmal ein Tablett anstatt eines Rührglases in der Hand liegt, ist zwar zu Beginn ungewohnt, doch bedeutet das keinen Jobwechsel. Es wechselt lediglich das Arbeitsgerät sowie der Ablauf. Es geht darum, „dem Gast den bestmöglichen Abend zu machen. Du musst herausfinden, was er möchte: Will er Ruhe oder möchte er Detailwissen? Was erhofft er oder sie sich insgesamt von den Abend – und das alles am Besten, ohne zu fragen.“

Kleine Anmerkung: Nach einer kurzen Zwischenstation im Frankfurter Hunky Dory und der Rückkehr nach München in die Trisoux Bar, war Susan Ann MacKenzie zu Beginn 2019 zurück ins Wabi Sabi gekommen. Seither leitet sie das Bar-Restaurant gemeinsam mit Alexander „Axa“ Hötzinger. Im Herbst vergangenen Jahres gewann das entschleunigte Konzept praktisch auf Anhieb den MIXOLOGY Bar Award für das beste Bar-Restaurant des Jahres.

Nun auch Wabi Sabi Deli

Susan setzt dabei auf Menschenkenntnis und möchte auf jeden Gast speziell reagieren. Sie legt sogar den Hospitality-Gedanken danach aus, denn das Wabi Sabi hat schon ein besonderes Konzept – vor allem für die bayrische Hauptstadt. „Im Wabi Sabi gefällt mir das minimalistische Konzept – mit viel Liebe zum Detail, der Hospitality-Gedanke, die minimierte Gästeanzahl. Die sehr hohe Qualität der Produkte – und dass die Musik von Platten gespielt wird“, beschreibt sie ihre Vorliebe für den Ort.

Der Raum allein wirkt schon mächtig auf den Gast, der durch die hohe Tür tritt, „und dort musst du den Gast bereits abholen und später auch wieder verabschieden. Trotzdem muss man natürlich auch wirtschaftlich bleiben“. Natürlich treten im Moment coronabedingt keine Gäste durch diese Tür, auch das Wabi Sabi hat – nun augenzwinkernd als Wabi Sabi Deli – einen To-Go-Service eingerichtet: Kimchi & Co. gibt es jetzt zum Mitnehmen.

Sport ist alles andere als Mord

Dem Stress und dem dauernden Bombardement von Information – Stichwort Instagram – begegnet sie mit Sport. Als Vierjährige schon begann Susan Ann MacKenzie mit Eishockey, sie spielte in Mannheim, Zürich, München und Augsburg. Es ist das Mittel, auf das sie schwört. „Regenerative Prozesse, in denen sich der Körper erholt, dürfen nicht zu kurz kommen. Man muss einen Weg finden, diesen Stress zu umschiffen, mit gewissen Routinen und guten Gewohnheiten, die quasi automatisch ablaufen. Wichtig sind Bewegung, ordentlich Schlaf, ausgewogene Ernährung und auch das richtige Mindset. Gerade bei unserem Job, der ohnehin schon stressig genug ist”, definiert sie. „Wenn du den Stress nicht beim Sport rauslassen kannst, lässt du ihn bei der Arbeit raus.“

Ein Rezept, so simpel. Man könnte Eis darauf geben und einen Daiquiri daraus schütteln.

Arbeiten in der Bar steht und fällt mit Selbstbewusstsein

Im Moment geht sie Boxen, in „einem berufsspezifischem Trainingsprogramm im Boxwerk.“ Im weiteren Gespräch über das Boxen geht es um Dinge wie „Fokus auf Mobilität und Stabilität“ und auch „ein bisschen Cardio“. So fern von Bar diese Thematiken wirken, umso genauer sollte man überlegen. Denn wie beim Boxen, wo „du ja auch nicht sofort die Handschuhe anziehst und sagst: los geht’s!“ verhält es sich auch beim Job an der Bar. „Es ist wahnsinnig viel Aufbau, Konzentration, Kraft, Ausdauer, Reaktion und Beweglichkeit gefragt.“

Ihre sportlichen Hintergründe helfen, um Susan Ann MacKenzies Art besser zu verstehen. Sie ist eine Frau mit einer besonderen Art von Selbstbewusstsein – und das in einem Beruf, der mit Selbstbewusstsein steht, aber auch fällt. Life Balance ist ihre Devise, und theoretisch könnte sich das jeder mal hinter die Ohren schreiben. Die Frage, wie lange sie sich den Beruf zutraut, versteht sie gar nicht.

Sie sagt dazu nur: „Für den Beruf muss man brennen.“

Credits

Foto: Karin Brunner

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