Das sind die neuen Top 10 Bars 2019
Schon wieder ein Jahr rum? Dann wird es auch Zeit für den Rückblick und die Top 10 Bars des Jahres: Welche neuen Trinkstätten bereicherten 2019 die Szene in Deutschland, der Schweiz und Österreich? Ihre Konzepte ergeben schließlich immer auch ein Trend-Barometer der Branche
Wäre das Barjahr eine South-Park-Folge, würde es mit der Feststellung enden: „Heute habe ich wieder etwas gelernt“. Traditionell buchstabieren wir diese Lehre an dieser Stelle in zehn Absätzen aus. Sie würdigen die Neueröffnungen, bergen aber wie die Erkenntnisse der Anorak-Träger aus Colorado auch eine tiefere Aussage. Nämlich darüber, wohin sich die Branche bewegt.
2019 war in diesem Sinne ein selbstbewusstes Jahr. Speakeasy und handtuchgroße Verabreichungsplätze, in denen doppelte Preise statt mehrfacher Drehung des Tischs die Regel sind, scheinen „durch“ zu sein. Romantisch ist das neue Seriös, würden es Blogger wohl formulieren. Und wenn die ganze Barlandschaft Ironie trägt, dann legen wir im Jahresrückblick auch eine Schaufel davon nach.
Doch bevor der Verdacht aufkommt, wir hätten uns jetzt schon am Silvester-Schampus vergangen: die Analyse, bitte! Trink-Labore gibt es auch noch, doch die neue Leichtigkeit hat nicht nur in Form von Highballs die Bar-Szene erfasst. Die Peinlichkeiten von einst, die man vor lauter Scham ein Jahrzehnt lang unter der englischen Wort-Tarnhülle „guilty pleasures“ verdeckte, stehen heute blinkend auf dem Tresen. Rote Kirsche statt rotem Kopf ist angesagt. Und viel gutes (!) Essen auch. Ja, eine Bar darf tagsüber sogar Milchkaffee servieren anno 2019. Abends kommt dafür selbst das Getriebeöl für Dauer-Ranschmeisser, der Espresso Martini, glasklar und karbonisiert in Glas. Anything goes, würden die abgebrochenen Philosophie-Studenten ihren Paul Feyerabend zitieren zum Feierabend-Bier, das heute eher nach Verjus oder Zitronengras schmeckt. Und wenn das keine guten Nachrichten sind – Stil-Vielfalt und große Locations, die sich füllen (!) – dann gibt es in diesem Jahr keine mehr. Denn die nächste „Liste“ kommt erst im Dezember 2020.
Hier aber nun die – ohne spezielle Reihenfolge gerankte – Liste der neuen Top 10 Bars 2019:
Amo Bar im Amano Hotel
Friedrichstraße 113
10117 Berlin
So - Do 19 - 2 Uhr, Fr - Sa 19 - 3 Uhr
1) Amo Bar, Berlin
Hat man den Weg von der Friedrichstraße ins Untergeschoß der Amo Bar gefunden, kann nichts mehr schief gehen. Denn hier haben sich zwei „Dream-Teams“ gefunden auf eine flüssige Liaison à la Susi und Strolch. Die Hauptstadt-feine Hotelgruppe Amano und die mit ihren „Chimichangas!“-Schreien den Rotovap übertönenden „Kinly Boys“ from Hessen und Bayern – nun bereichert um den schwarzwälder Obstbrandzauberer Jonas Stein. Damit hat jetzt auch Berlin den „King Clear“ am Start, aber auch eine breite Spielfläche, die entfernt an einen Western-Saloon im zeitgenössischen Look erinnert. Da kann einfach alles passieren!
2) Josef Highball Bar, Wien
Wenn das ein Muster ist, soll es uns recht sein. Denn aus einem weiteren in die Jahre gekommenen Wiener Lokal – in diesem Fall dem „Stehachterl“ im so genannten Bermuda-Dreieck – wurde eine Bar. Hier schlugen mit Andrea Hörzer und Philipp M. Ernst die Nachbarn zu, die das „Josef“ um eine lupenreine Highball-Bar, die Josef Highball-Bar, erweiterten. Das Ergebnis lässt die Kellerbar aussehen, wie sich die Set-Designer des Ben-Affleck-Films „Live by night“ Florida vorstellten. Nur, dass es hier eindeutig bessere Drinks gibt. Sogar Ernsts Liebe zur Punch-Bowl wird hier gefrönt. Und das weder Achterlweise, noch im Stehen.
Josef Highball Bar, Wien
Pot Still Bar
Kohlenberg 11
4051 Basel
Mi - Do 18 - 1 Uhr; Fr 18 - 4 Uhr, Sa 19 - 4 Uhr
3) Pot Still, Basel
„Just a Classic Bar“ steht am Türschild vom Neuzugang im Basel, der Pot Still Bar, und das ist vor allem im Vergleich zum Stammhaus von Pascal Kunz und Daniel Mumenthaler („Hinz & Kunz“) zu verstehen. Denn zur quirligen Markthalle mit ihrer fast schon unwirklich großen Drink-Auswahl setzt das Leder-Fauteuil-Ambiente am Kohlenberg einen markanten Gegenpunkt, der nach Rum und Whisky riecht. Zudem macht das Pot Still auch bewußt „a bissele spöter uf“, wie Kunz sagt, damit auch die Baseler Bartender-Community einen Afterwork-Space hat. Darauf einen Old Fashioned!
4) The Reason, Hamburg
Eine Weihnachtsbude für Winterhude! Kaum ein halbes Jahr geöffnet, mischt Stefanie Brachs The Reason den gastronomisch nicht gerade unterversorgten Hamburger Stadtteil ordentlich auf. Ein paar Tagesstunden als helles Café „getarnt“, das Schwellenängste nimmt, setzt die aus dem Christiansen’s ebenso wie von einigen Competitions bekannte Hamburgerin abends die Glanzlichter. „FaKo“ mögen sie im „Goldenen Handschuh“ trinken, hier ist die „FaBo“-Zone mit Gin und Fantasirup. „Temelk plietsch“, wie der Hanseat so sagt.
The Reason
Fabelei
5) Fabelei, Berlin
Und wo wir schon beim Märchen sind, bringt uns der Zauberteppich gleich noch mal nach Berlin-Schöneberg. Dort sorgt die Fabelei für magische Momente – und vor allem Geschichten hinter den Drinks. Das ist Anastasia und Filip Schöck-Bochenski wichtig, zumal sich die studierte Musikwissenschaftlerin einst als Bargast selbst in die Erzählungen Filips verliebte. „Das wollen wir weitertragen“, weshalb einmal monatlich auch Märchen für Erwachsene gelesen werden. Die flüssigen Fabeln, etwa von der „Little Fairy“ oder „Lady Violet“, gibt es sechs Mal die Woche. Was soll man sagen? Fabelhaft!
Woods Bar
Friesenstraße 49
50670 Köln Köln
Mi, Do, So 18 - 1 Uhr, Fr - Sa 18 - 2 Uhr
6) Woods, Köln
Köln bleibt stabil. War es letztes Jahr The Grid, das die Domstadt bereichert hat, ging es in diesem Jahr im Friesenviertel mit einem veritablen Wald-Stück weiter. Die Ona-Mor-Veteranen Simon Bach und Ann-Kathrin Schäfer ließen das Woods in den Räumen der nicht nur im Veedel bekannten „Stuckbar“ erstehen. Aus der Schluckstube wurde ein Märchenwald, in dem statt einem Hexenhaus der Cold Dripper eine zentrale Rolle spielt. Signature Cocktails gibt es im Woods zuhauf, da tiriliert der „Waldkauz“ neben dem „Es war einmal…“ zur Blauen Stunde in der Friesenstraße. Wir suchen derweil die Blaue Blume…
7) Bonvivant, Berlin
Pastellige Baisers gibt es nicht nur am Teller, die ganze Goltstraßen-Ecke mag es bunt. Das Küchenkonzept namens Healthy hedonism verzückt in Schöneberg die Veggies, für die Barflys gibt es im Bonvivant Pool-Party-Gefühle mit der „Cocolada“ und dem „Lipstick“ (wahlweise auch ohne Alkohol). Dafür zeichnen mit Yvonne Rahm und Max Schulz zwei Könner verantwortlich, die im Berliner Bar-Bistro selbst den Cosmopolitan neu beleben. Kurz: Ein Neuzugang, der sich anfühlt wie das geliebte Vintage-T-Shirt von Fiorucci!
Bonvivant Cocktail Bistro
Moby Dick
Neustiftgasse 26
1070 Wien
Mo - Do 18 - 2 Uhr, Fr - Sa 18 - 3 Uhr
8) Moby Dick, Wien
Ahoi im „Siebenten“! Wiens neue Trinkstätte Moby Dick bietet mit dem „Walspeckjäger-Tonic“ und einem „Altona Williams“ zunächst einmal Maritimes hinter der Bullaugen-Tür. Wer jetzt „Konzeptbar“ schreit, hat recht – aber auch nicht. Denn Sami Walfisch hat die komplette Neuplanung seiner Bar unter das Signet Nachhaltigkeit gestellt. Und zwar richtig – schon bei der Planung der Lieferwege. Statt Zesten-Verarbeitungsgeschwurbel geht es hier um Fair-Trade-Kleidung, Großgebinde und Eigenstrom. Das Ganze geht aber ohne Zeigefinger und mit viel Schmäh ab, powered by Marcel Katzer und „Made in GSA 2019“-Gewinner Valentin Bernauer.
9) Chapeau la Vache, Bremen
Zwischen Gillardeau-Austern und Kaviar lacht einem das vertraute Gesicht von Henning Neufeld aus der Speisekarte entgegen. Mit 35 ging es für den Asia-Fan von München (Schumann‘s) zurück nach Bremen: Das Chapeau la Vache in der Villa Rocholl versteht sich als Brasserie und Bar. Teil 2, die Trinkkultur jenseits von Picon Bière, ist bei Neufeld in besten Händen. Falls jemand Platt schnacken will am Tresen, dann kann er das etwa mit einem „De Bickbeei“ tun – und bekommt den Blaubeer-Signature des Hauses auf Vodka-Basis. Wir raten zum Ausprobieren, pardon: Utklabüstern!
Chapeau La Vache
Odeon Bar
Quadrat G7, 10
68159 Mannheim
Di - Do 19 - 0 Uhr, Fr - Sa 19 - 2 Uhr, So - Mo geschlossen
10) Odeon, Mannheim
Zwischen E und K, wie man in der Quadrate-Stadt sagt, haben sich Abian Hammann und Paul Sieferle einst in der Bar des Odeon-Kinos kennengelernt und ihre ersten Sporen verdient. Nun ließ ihnen der Zustand der legendären Kneipe in Filsbach keine Ruhe, und die Betreiber des Hagestolz und Sieferle & KØ krempelten die alte Wirkungsstätte um. Latte-Art erweitert im Odeon den Bar-Kosmos um Frühstück – das tröstet, wenn es mal später wird am Neckar. Von dort kommt auch Wein, notfalls Federweißer für den „Jane Birkin“ mit Pisco. Merke: Großes Kino gibt’s auch neben dem Kino.
Credits
Foto: © Maksym Fesenko | Shutterstock