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Martin Bornemann und Norbu Tsering lassen das Basler Herz höher schlagen

Martin Bornemann und Norbu Tsering haben fünf Jahren Seite an Seite im Basler Werk 8 gearbeitet. Nun haben die beiden trotz Coronakrise ihre eigene Bar eröffnet: Das Herz hat sich als gehobene Nachbarschaftsbar in einem alten Stadthaus einquartiert. Und schlägt dort im zeitgemäßen Takt.

Herzblut lautete der Projektname der von Martin Bornemann und Norbu Tsering gemeinsam bereits vor einem Jahr angedachten Bar. „Meine Frau hat irgendwann alle bei uns zuhause umherflatternden Unterlagen, Ideen und Skizzen in einen Ordner gepackt und mit der Aufschrift ‘Herzblut’ versehen“, schildert Bornemann den Ursprungsnamen für die erste, eigene Bar.

Das Projekt geht, das Herz bleibt

Damals sind die beiden noch im Basler Werk 8 beschäftigt, Martin Bornemann als Barmanager zwar offiziell Norbu Tserings Vorgesetzter, aber trotzdem Seite an Seite. Das Projektzusatz „Blut“ verfließt, übrig bleibt das kräftig schlagende „Herz“, das seit dem Soft Opening Ende September geöffnet ist. „Es fühlt sich gut an“, resümiert Martin Bornemann den Start in die Selbstständigkeit. Wenn die Partner nicht gerade Liquides in ihrer „Traumbar“ kreieren oder Zutaten herstellen, behält Tsering als ausgebildeter Jurist verstärkt administrative, Bornemann als Hotelfachmann gastronomische Angelegenheiten im Visier.

Basels neues Herz befindet sich in einem alten Stadthaus in der Clarerstraße, erbaut in den Jahren 1894-96. Lichtdurchflutet durch die verglaste Ladenfront, die sich nach oben öffnen lässt, erblickt man im Inneren die freigelegten Bruchsteine einer Mauer, ehemals Teil der alten Stadtschanze aus dem Dreißigjährigen Krieg. Ein leichtes Unterfangen war es nicht, die steinernen Zeitzeugen freizulegen. Vier Wochen lang waren Bornemann und Tsering dafür mit Bohrgeräten zugange. „Eine Lockdown-Beschäftigung und Erfahrung für die Handgelenke“, erinnert Bornemann. Keine fünf Gehminuten braucht es vom Herz zum Basler Messegelände, in die andere Richtung nicht weniger Gehzeit zum Rheinfluss.

Der Tresen: das Herzstück der Bar
Der Tresen: das Herzstück der Bar
Die Herz Bar will eine moderne Nachbarschaftsbar mit niedriger Einstiegsschwelle sein
Die Herz Bar will eine moderne Nachbarschaftsbar mit niedriger Einstiegsschwelle sein

Niedrige Einstiegsschwelle erwünscht

Die Handgelenke haben es schadlos überstanden, und das Herz reift in seiner Entwicklung hin zu einer gehobenen Quartier-Beiz-Bar für Basler und alle jene, die hier wohnen und leben. „Wir probieren, die Einstiegsschwelle niedrig zu halten. Wer schnell ein Bier nach der Arbeit genießen will, ist genauso willkommen wie jemand, dem es nach modernen, tollen und ausgefallenen Cocktails steht“, erklärt der frühere Made-in-GSA-Sieger Bornemann.

Das Trinkangebot wird der Grundphilosophie entsprechend mit ausgewählten Spirituosen zubereitet, die Backbar wahrt Understatement. „Eine bewusste Entscheidung. Wir wollen keine Spirituosen-Bibliothek sein, lieber eine tolle Atmosphäre, Gastlichkeit und Gemütlichkeit bieten. Damit sich der Gast fallen lassen und genießen kann, braucht es nicht unendlich viele Spirituosen“, ist sich der gebürtige Berliner Bornemann sicher. Lokale Biere genießen den Vorzug, ausgewählte Produkte wie ein Sloe Gin und nicht eine Anzahl von 100 Gins lassen das kleine Herz schlagen. Derzeit arbeitet das insgesamt vierköpfige Team mit Mundschutz. Die sieben Barhocker dürfen daher ohne Plexiglas-Verbau neben Vierer- und Dreier-Tischen und natürlich zwölf Séparée-Plätzen belegt werden. Doch so lange die Saison es erlaubt, schlägt das Gästeherz draußen entlang der Boulevard- oder Allmende-Terrasse, wie der Schweizer sagt, auf 20 Plätzen ziemlich hoch.

Herz Bar


Basel

Di-Sa 16-22 Uhr

Brennerei im Hinterhof

Auf einen speziellen Spirituosen-Fokus setzen die beiden Betreiber nicht, fühlen sich aber mit der benachbarten Stadtbrennerei & Stadtkelter fast wie mit einem „Sechser im Lotto“. „Das ist ein Glücksfall. Es ist unser Anliegen, diese Produkte miteinzubeziehen, weil die Jungs noch jung und experimentierfreudig sind und am Anfang stehen. Wir wollen bewusst das Fenster vom Hinterhof nach draußen für die Brennerei sein und tolle Drinks mit ihren Produkten kreieren“, sagt Bornemann.

Der von der Brennerei in Handarbeit gefertigte, länger auf der Hefe gelagerte Schweizer Schaumwein aus 100 Prozent Walliser Pinot Noir perlt im Herz im Offenausschank. Ein junger Pétillant Naturel vermählt sich im Le-Julep-Drink mit Pineau des Charentes, Bourbon, selbst gemachtem Minz-Cordial und Bitters. Auch klassischer Weizenkorn, Alpenkräuterbitter oder ein Tresterbrand mit dem Grundwein des Walliser Winzers Heida wandern von der Stadtkellerei an den Tresen. Den Mohnschnaps veredeln die Herzensbrüder in einem „Mohnfeld“-Drink mit klarem Zuckerrohrbrand, selbstgemachtem Schlehen-Cordial und Basler Cold Brew Kaffeelikör aus äthiopischem Fair-trade-Kaffee.

Drei Negroni-Varianten zum Einstieg

Die Hauskarte ist bewusst schlicht und wie die Backbar überschaubar gehalten, um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden: Gastlichkeit und Nachhaltigkeit. „Wir machen, was geht“, erklärt Bornemann, „würden aber nicht um jeden Preis eine Piña Colada schicken, wenn keine Kokosprodukte vorrätig sind. Wohl aber eine Alternative für einen glücklichen Gast“. Zu jeder Zeit alle Zutaten zur Verfügung zu haben, um alles zu machen, ist nicht ihr Bestreben. „Das ist weder zeitgemäß noch nachhaltig oder wirtschaftlich“, sind sie überzeugt. Um aber alle Gäste einer Quartierbar glücklich zu stimmen, brauche es neben Alternativprodukten aber auch Bourbon aus den Staaten oder Mezcal; aber eben nur Auserwähltes.

Der Einstieg in die Barkarte erfolgt über die Aperitif-Kategorie mit drei Negroni-Varianten. Gebottelt und beschriftet befinden sich Herz-Negroni (Gift Gin aus der Stadtbrennerei, Matter Rosso, Select Aperitivo, Amalfi-Zitronenschalen, Orangenschalen, gefiltertes Wasser), Negroni Forte und Negroni Stagione in einer Eiswanne mit Überlauf. Nicht gerührt landen sie direkt im vorgefrosteten Tumbler. „Damit wollen wir eine Alternative zu klassischen Apéros wie Wein und Bier bieten“, so Bornemann.

In den Cocktails spiegelt sich der Terroir-Gedanke wider. Eingebaut wird darin vorwiegend, was die Region um Basel im Dreiländereck saisonal hergibt. Deren Früchte und Pflanzen werden gesammelt und zu Cordials oder Sirups verarbeitet. Schlehen, die gerade geerntet werden, Feigenblätter, die es in Basel zuhauf gibt und im Sous-Vide-Verfahren verarbeitet werden, Äpfel und Sanddorn. Verjus wird thematisiert, und lokale Biere wie ein Kitchen Brew von der Allschwiler Brauerei in Basel Land, Craft Biere, New England IPAs sowie Double IPAs gibt es für Hopfenfreunde.

Mit Kräutergarten und selbst hergestellten Sirups und Cordials wollen Bornemann und Tsering ihr Werk 8-Erbe fortsetzen. Angezogene Minze von der Stadtgärtnerei, Basilikum oder Rosmarin warten in Blumenkästen auf ihr vorgesehenes Terroir in einem Hochbeet über dem Kellerabgang. Im Winter wird die Mikrozucht im Keller fortgesetzt. Wenn die endgültige Betriebsbewilligung vorliegt, wird auch das Musikerherz unter der Lärmschutzdecke mit gediegenen Lautsprechern, je nach Atmosphäre und Stimmung, einen Herz-haften Rhythmus schlagen. Dann wird das Herz bis 1:30 Uhr geöffnet haben.

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