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Zehn gefloppte Trends in der Bar

Zehn gefloppte Trends in der Bar: zwischen Craft Beer, Ärmelhalter und Baijiu

In schöner Regelmäßigkeit wird aus verschiedenen Ställen eine neue Sau durchs Bar-Dorf getrieben. Neudeutsch würde man sagen, dass ein Thema hochgejazzt wird. Mal passiert das sehr bewusst, manchmal ganz aus Versehen und ganz selten ist es einfach wirklich so, dass eine Idee organisch wächst und tatsächlich größer wird als man anfangs gedacht hätte. Aber viel öfter halt nicht. Genau über diese gefloppten Trends will sich unser Autor heute hermachen.

1. Craft Beer (nicht nur in Bars)

Fangen wir doch gleich mit der größten Mistgabel an, um uns diese ins eigene Fleisch zu rammen: Auch bei MIXOLOGY gab es Zeiten, in denen die Überzeugung riesig war, dass Craft Beer zeitnah aus keiner Bar mehr wegzudenken sei. That did not age well. Klar, es gibt tolle Biere, und hin und wieder mag man sich zwischen zwei Daiquiris vielleicht mal mit einem IPA erfrischen. Aber der heraufbeschworene Hype um die angebliche Notwendigkeit, in jeder guten Cocktailbar auch eine Auswahl an handwerklich hergestellten Bieren zu haben, ist – Gott sei Dank – dann doch nicht eingetreten.

2. Hosenträger, Ärmelhalter, Speakeasies …

… und dieser ganze andere blödsinnige Roaring-Twenties-Modeshizzle. Vielleicht kein Trend, der von Anfang an massiv gefloppt ist; aber einer, bei dem man wirklich froh sein darf, dass er vorbei ist. Keine Melonen auf Köpfen, keine Hosenträger an Skinny Jeans und auch so gut wie keine neuen Speakeasy Bars. Oder krieg ich es nur nicht mit? Gut ausgeleuchtete Insta-Seiten für streng geheime Barprojekte. Selten grotesker Blödsinn.

3. Pisco

Mal etwas anderes. Anders in dem Sinne, dass es wirklich schade ist, dass sie die zarten Anfänge eines Trends sich hier nicht festsetzen und größere Wellen schlagen konnten. 2013 schrieb die FAZ: »Gin war mal. Wie wär’s mit Pisco?« Würde man mit einem Meme antworten wollen, so wäre dies wohl mit »schlecht gealtert« überschrieben. Nicht nur weil Gin nach wie vor ein Mainstream-Ding ist und das Interesse vor allem beim Konsumenten beherrscht. Sondern vor allem, weil die Bewegung beim Pisco doch sehr, sehr überschaubar geblieben ist in den vergangenen neun Jahren. Immerhin ist die Auswahl und Verfügbarkeit vielfach besser als 2013. Darüber kann man sich als Bar ja durchaus freuen.

4. Karbonisierte Drinks

Was war das für eine Innovationswelle vor etwa einem Jahrzehnt. Firmen überschlugen sich in Sonderbudgets, um möglichst viel gebrandete Technik in Bars unterzubringen, damit diese dann die Cocktailwelt revolutionieren. Ich erinnere mich gut an eine große Workshopreihe eines schottischen Whiskys, die die Zukunft im Karbonisieren von Drinks sah. Und zwar des ganzen Drinks. Also keine fizzigen Filler nutzen, sondern den kompletten Drink mit Kohlensäure versetzen. Zu diesem Zweck wurde ein spezieller Shaker entwickelt und mitsamt Gasflasche und Druckminderer an Bars verschenkt. Das hat auch auf dem Workshop mega Spaß gemacht, aber ich kann mich an keine einzige Bar erinnern, in der ich dieses Gerät jemals in Aktion gesehen habe.

5. Barrel Aged Drinks

Wo wir gerade Techniken zu Grabe tragen, machen wir doch gleich weiter. Zugegeben, das Reifen und Ausbauen von Drinks in Fässern war schon spannend und auch irgendwie ein interessantes Spiel. Teilweise unglaublich, was ein kleines Fass in kurzer Zeit an Geschmack abgehen kann. Ebenso unglaublich waren dann leider größtenteils die Ergebnisse im Glas. Unglaublich langweilig. Ob‘s daran liegt, dass kleine Fässer schwer zu kontrollieren sind, oder ob eine Bar nur ein mittelmäßiger Ort zur Lagerung ist? Wahrscheinlich wird dies ein Geheimnis bleiben. In Zukunft würde ich die Fasslagerung aber wieder den Profis überlassen. Die sollen da mal ihre Spirituosen veredeln, damit wir Ausgangsmaterial für edle Drinks haben. Win-Win und weniger Stress. Danke!

6. Sherry

Wenden wir uns wieder einer Kategorie zu, die wir selbst einmal als Rising Star betrachtet haben. Dabei hätte Sherry das absolute Potenzial, sich in den kommenden Jahren wirklich und endlich emporzukämpfen. Low ABV, spannende Aromatik, große Vielfalt und meist moderate Flaschenpreise sprechen definitiv für den verstärkten Wein aus Andalusien. Die harten Zahlen sprechen allerdings leider dagegen. Zwischen 2016 und 2020, also im Zeitraum des vorhergesagten Trends, nahm die Exportzahl für Sherry um etwa 15% ab. Zwar mit leichtem Anstieg in 2021, aber ob es sich da um ein Corona-Phänomen handelt oder nicht, bleibt abzuwarten. In den Bars nimmt Sherry jedenfalls keinen größeren Stellenwert ein als vor fünf Jahren. Allerdings gibt es innerhalb der Kategorie eine interessante Verschiebung. Die süßen Stile brechen komplett ein, während die trockenen Stile durch ihre Beliebtheit bei jungen Konsumenten leichtes Wachstum verzeichnen. Mal sehen, ob wir wirklich falsch lagen oder einfach nur der Zeit weit voraus waren.

7. Agavenbrände – und vor allem Mezcal

Es gab eine Zeit, da waren sich eigentlich alle sicher, dass, sobald die unbändige Begeisterung für Gin gebrochen ist, endlich die Zeit für Agavendestillate aus Mexiko schlüge. Tequila und Mezcal, so war man sich vielerorts sicher, seien die nächsten Dickschiffe, die die Bargewässer aufwühlen sollten. Naja, wie schon oben erwähnt, scheint Gin noch immer nicht am Ende, und selbst ohne nennenswertes Wachstum von Agavenschnaps erleben wir gerade, dass man die Nachfrage derzeit kaum bedienen kann. Große Brands sehen ihren primären Markt in den USA, was dazu führt, dass hiesige Bars zuletzt kaum oder gar keine Ware mehr bekamen. Der Fakt, dass Mezcal auch aus ökologischen Gesichtspunkten immer mehr Kritik erfährt, dürfte der Kategorie insgesamt nicht wirklich helfen. So dürfen wir uns , wie beim Pisco, über eine deutlich gestiegene Auswahl freuen. Aber das ganz große Ding ist es eben doch nicht geworden.

8. Baijiu

Die mit Abstand meistgetrunkene Spirituose der Welt! Mehr als 13 Milliarden Liter von Baijiu werden jährlich in China produziert und zum größten Teil auch dort konsumiert. Es ist schon verrückt, dass eine Spirituose, die derart groß ist, in unseren Breiten einfach gar keine Rolle spielt. Zwar wurden vor allem in den letzten Jahren immer wieder Versuche unternommen, die ein oder andere Marke im deutschen Markt zu etablieren. Aber wenn man mal ganz ehrlich auf die Situation blickt, sind es wirklich wahnsinnig wenige Bars, die ernsthaft damit arbeiten. Ob dies nun politische oder aromatische Gründe hat, sei dahingestellt. Der prognostizierte Hype bleibt bisher in jedem Fall aus.

9. Nachhaltigkeit

Halt! STOP! Hier wird nicht der Annahme Vorschub geleistet, dass man sich nicht mit dem Thema auseinandersetzen oder es gar generell als Unsinn abtun solle. Ich möchte nur Bars und vor allem Brands bitten, sich ernsthaft zu überlegen, ob ihr Arbeiten denn wirklich so nachhaltig ist wie gedacht, wenn damit geworben wird. Die Handvoll Minze, die auf dem Arbeitsweg am Straßenrand gepflückt wird, wiegt wahrscheinlich nicht auf, was der importierte Rum aus der Karibik durch seinen Arbeitsweg kaputt macht. Wie gesagt, hier soll weder der Rum noch die Nachhaltigkeit an sich kaputt geschrieben werden, aber ein ernsthafterer Umgang mit der Thematik wäre schon toll. Große Begriffe erfordern meist großen Aufwand.

10. Bartender als Ausbildungsberuf

Sorry, den kann ich mir an der Stelle einfach nicht verkneifen. Jedes Mal, wenn in den letzten 20 Jahren wieder das Ziel ausgerufen wurde, dass der Beruf des Bartenders endlich Ausbildungsberuf werden muss, konnte ich mir ein Lachen kaum verkneifen. Mit neugeordneten Strukturen bei der DBU wurde das Thema ja vor Kurzem auch wieder angerissen. Und ich will diesen Trend an dieser Stelle auch noch nicht beerdigen, denn ich möchte zu gern zuschauen, wie man angesichts des allgemeinen Personalmangels in der Gastronomie und dem generellen Desinteresse an der Ausbildung zum Hotel- oder Restaurantfachmann die Ausbildung zum Bartender gestalten möchte, so dass man junge Menschen für diesen Weg begeistert.

Dieser Text erschien erstmals in der Print-Ausgabe 5-2022 von MIXOLOGY. Für diese Wiederveröffentlichung wurde er formal aufbereitet, aber inhaltlich nicht verändert.

Credits

Foto: Editienne

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