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Wie der Beuser & Angus Special zum Bartender’s Handshake wurde

Mit dem Beuser & Angus Special hat Gonçalo de Sousa Monteiro 2007 der damals jungen, neuen deutschen Barszene einen Identifikationsdrink gegeben. Gewissermaßen nicht viel mehr als ein leicht erweiterter Chartreuse Sour, führte unter Eingeweihten kein Weg an ihm vorbei. Heut trifft man den Cocktail nur noch selten. Aber vergessen wir nicht, wie wichtig solche Drinks sind. Eine kleine Erinnerung an Zeiten, die sehr weit weg scheinen.

Es gibt diese bestimmte Familie von Drinks, die unter Barleuten ein immenses Gewicht genießen. Jene Cocktails, die ab und zu gern als Bartenders‘ Handshake bezeichnet werden. Drinks für Insider. Cocktails, mit denen sich Barleute einander zu erkennen geben. Die vielleicht gerade ganz bewusst nicht Teil des Mainstreams sein dürfen. Diese Drinks können neu oder alt sein. Der Sazerac war es mal. Der Old Fashioned sowieso. Der Martinez. Auch der Gin Basil Smash, vor langer Zeit und das dann auch nur – aufgrund seines Erfolgs – für eine kurze Zeit.

Wie lange ein Drink ein Bartenders‘ Handshake bleibt, entscheiden die Läufe der Geschichte. Entweder ein Drink wird zu normal, zu bekannt. Wenn er keine Abgrenzung und Überhöhung bietet, taugt er schließlich nicht mehr als Handshake. Oder die Szene verliert das Interesse an ihm (hier bitte den eigenen Aviation-Witz einfügen). Von einem solchen Cocktail, der einst einer der wichtigsten deutschen Bartenders‘ Handshakes war und schon seit Jahren arg in Vergessenheit geraten ist, wollen wir heute sprechen. Vom Beuser & Angus Special.

Beuser & Angus Special

Zutaten

6 cl Chartreuse Verte
2,5 cl frischer Limettensaft
2 BL Maraschino
4 Dashes Orangenblütenwasser
½ Eiweiß

Als Chartreuse durch die Decke ging …

Nun hat ein Cocktail, der praktisch nichts anderes als ein erweiterter Chartreuse Sour ist, definitiv das Zeug zu einem Bartenders‘ Handshake. Insbesondere, wenn man die Umstände und die Zeit seiner Entstehung betrachtet, und natürlich seinen Schöpfer. Denn der Beuser & Angus Special wurde im Jahr 2007 von niemand anderem als Gonçalo de Sousa Monteiro kreiert. Also sogar noch deutlich bevor er sein wegweisendes Buck & Breck eröffnete, und zwar in der Berliner Institution Victoria Bar.

Heute erinnert sich Monteiro an die Entstehung mit viel Freude und Wohlwollen: „Bastian Heuser kam in die Victoria. Es war die Zeit, als Chartreuse gerade richtig durch die Decke ging und viele Barleute sich damit beschäftigt haben. Und er hat halt einen Chartreuse Sour bestellt“. Bastian Heuser, heute einer der Mitinhaber der Spreewood Distillers aus dem Spreewald, gehörte seinerzeit zu den führenden deutschen Bartendern und war u.a. als Autor für MIXOLOGY tätig, gründete außerdem 2007 den Bar Convent Berlin mit. Die spezifische Idee für den Drink kam Monteiro dann aufgrund seiner damaligen Beschäftigung mit u.a. dem erwähnten Aviation Cocktail: „Da ich mich zu der Zeit viel mit Maraschino und dem Aviation befasst habe, fand ich es spannend, im Chartreuse Sour damit zu experimentieren. Die Idee, Eiweiß einzubeziehen, kam durch die parallele Auseinandersetzung mit dem Pisco Sour. Daher habe ich ihn auch zubereitet, wie der Pisco Sour damals in der Victoria gemacht wurde: Mit dem Stabmixer und serviert auf Crushed Ice.“

Die berüchtigten Traveling Mixologists

Da fehlt noch eine Zutat. Richtig, erklärt Gonçalo de Sousa Monteiro: „Direkt am nächsten Tag kam Bastian erneut, diesmal mit Angus Winchester, der gerade einen Workshop in Berlin gegeben hatte und auch zu den Vorreitern der Chartreuse-Wiederentdeckung zählte. Sie haben den Drink erneut bestellt und als dritten Bezug, nämlich zum Ramos Gin Fizz, dachte ich daran, dass es passen könnte, mit Orangenblütenwasser zu spielen. Diese Kombination, die daraus entstand, also Würziges mit Zitrus, Floralität und dem Ei, das war ja etwas, was man damals praktisch nicht kannte.“

Der Name entstand dann schnell: „Es gab da einen Drink aus American Bar von Schumann, der hatte auch einen Namen plus dieses ‚Special‘ dabei, also dachte ich schlicht: dann eben Beuser & Angus Special, es gefiel mir einfach und hat sich dann eben schnell etabliert.“ Dass sich ein solcher Drink zu der damaligen Zeit schnell etabliert hat, dürfte einleuchten. Sowohl Monteiro als auch Heuser und Winchester gehörten im beschriebenen Zeitraum nicht nur ohnehin zu den einflussreichsten Protagonisten der Szene, sie waren auch alle drei Mitglieder des heute legendären Kollektivs der Traveling Mixologists, deren Partys noch immer als berühmt-berüchtigt gelten. Ein Drink von und mit drei Männern aus der „Trav-Mix“-Truppe. Klar, dass der sich in der Szene festsetzt.

So kann man den Beuser & Angus als den vielleicht am meisten durchdesignten Bartenders‘ Handshake von allen bezeichnen: Eine Bar, die im Jahr 2007 bereits alle drei erwähnten Produkte in anständiger Qualität vorrätig hatte, konnte sich zur Oberliga zählen. Und wer so einen Drink bestellte, konnte sich sicher sein, vom Bartender ein anerkennendes Nicken zu erhalten. Ehrensache und eigentlich unnötig zu erwähnen, dass das ebenfalls sozusagen neu entdeckte Eiweiß in den Drink kommt.

Man muss Geduld mit dem Beuser & Angus haben

Interessant ist und war, dass in den Weiten des Internets rasch unterschiedliche Rezepturen mit verschiedenen Gewichtungen der Zutaten kursierten und auch die Garnitur schwankte. Heute verlangt etwa die weltweit gängige Rezeptsammlung Diffordsguide für den Drink einen Limettenspalt, zeigt aber auf der zugehörigen Abbildung eine Orangenzeste. Ebenfalls wird dort angegeben, alle Zutaten sollten gemeinsam geschüttelt werden, wohingegen das Orangenblütenwasser üblicherweise als Finish auf den Schaum des abgeseihten Cocktails geträufelt wird.

Die Eigenart mit dem „eingeschüttelten“ Orangenblütenwasser verzeichnet übrigens auch die letzte Version von Cocktailian I, das Handbuch der Bar, in dem u.a. Bastian Heuser selbst noch als Mitautor geführt wird. Früher fand man außerdem bisweilen die Empfehlung, den Beuser & Angus Special mit einer eingelegten Kirsche zu garnieren – wohl als Verweis auf den enthaltenen Maraschino. Im Falle des nachträglich aufgetröpfelten Orangenblütenwassers sollte man jedoch nach heutigen Maßstäben auf jegliche weitere Garnitur verzichten, was auch Monteiro so empfiehlt: „Das ist ja beim Ramos Fizz das gleiche, das Orangenblütenwasser wirkt wie eine Garnitur. Man muss aber Geduld haben: Mindestens eine halbe Minute dauert das eben, bis sich der Schaum festigt. Wenn man dann aber das Orangenblütenwasser darauf träufelt oder mit einem Spray drübergibt, ist der Effekt super und man braucht nicht mehr.“

Ob der Beuser & Angus heute noch irgendwo serviert wird, weiß Gonçalo de Sousa Monteiro übrigens nicht zu berichten: „Ich bekomme das nicht wirklich mit. Im Buck & Breck stand er nie auf der Karte, oder nur einmal ganz kurz. Wir haben sowieso kaum Drinks von mir auf der Karte. Manchmal wird er zwar bestellt, aber das kommt nicht häufig vor. Und wenn, dann mache ich ihn übrigens schon seit sehr langer Zeit nicht mehr mit dem Stabmixer, sondern klassisch zweimal geschüttelt und doppelt abgeseiht auf Eiswürfeln.“

Auch ein Handshake darf sich weiterentwickeln

Falls es übrigens so sein sollte, dass der Drink manchem heutigen Gaumen zu süß sein sollte, so hat sich der Schöpfer selbst ebenfalls seine Gedanken gemacht: „Wenn man ehrlich ist, wird es mit der normalen grünen Chartreuse eigentlich zu ‚bonbon-mäßig‘. Wir haben daher angefangen, ihn eher mit einer der beiden Chartreuse-Varianten V.E.P. oder M.O.F. zu machen, die einfach etwas trockener sind. Falls man die Charakteristik des normalen Likörs vermisst, kann man auch hier vielleicht mit etwas Spray nachhelfen.“

Denn Gonçalo de Sousa Monteiro weiß: Auch ein Handshake darf sich weiterentwickeln. Er muss es vielleicht sogar unbedingt. Gerade nach zwei Jahren, in denen Händeschütteln so unpopulär war wie noch nie zuvor.

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