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Die Geschichte des Cocktails Teil 2: Der Whiskey Cocktail

Die Geschichte des Cocktails Teil 2: Der Whiskey Cocktail

Der ursprüngliche, in England entstandene Cocktail entwickelte sich in den Vereinigten Staaten weiter und entfernte sich vom Original. Als typischer, ur-amerikanischer Cocktail kann der Whiskey Cocktail gelten. Teil zwei unserer großen Serie beleuchtet, wie der Whiskey Cocktail zum Old Fashioned wurde.

In den Vereinigten Staaten hat sich der ursprüngliche, aus England stammende Cocktail verändert. Der namensgebende Ingwer verschwand, und die Wassermenge reduzierte sich. 1862 publizierte Jerry Thomas die ersten Cocktailrezepturen.

Viel Spielraum gab es zu in dieser Zeit in Amerika nicht bei der Zubereitung eines Cocktails. So berichtet David Wondrich, daß ein Bartender, der ungefragt beispielsweise etwas Curaçao verwendete, in manchen Gegenden damit rechnen mußte, mit einem Revolver bedroht zu werden oder in Handgreiflichkeiten verwickelt zu werden. Ein Bartender tat also gut daran, vor Zubereitung nachzufragen, was genau vom Gast gewünscht wurde.

6 cl Rye Whiskey

0,5 cl Zuckersirup (2:1)

1 Dash Bitters

Zubereitung: Auf Eiswürfeln gerührt oder geschüttelt

Plain Whiskey Cocktail: die Urform des Old Fashioned

Man grenzte die verschiedenen Varianten auch namentlich ab. Doch es herrscht ein Durcheinander, und deshalb klassifiziert David Wondrich die Varianten als „Plain Cocktail“, „Fancy Cocktail“ und „Improved Cocktail“. Ein Plain Cocktail, also ein Cocktail, der nur aus Spirituose, Wasser, Zucker und Bitters besteht, funktioniert prinzipiell mit allen Spirituosen, er entspricht überdies der 1806 gegebenen Definition eines Cocktails.

Jerry Thomas schüttelt sie oder rührt ihn, ganz entgegen der heute weit verbreiteten Regel, Drinks mit ausschließlich klaren Zutaten immer zu rühren. Als Grund wird angeführt, daß sonst die eingeschlossenen Luftbläschen den Drink trüben. Doch so einfach ist es nicht, und vielleicht hatte Jerry Thomas wirklich einen Grund, seinen Drink zu schütteln, und zwar mit einer Zitronenzeste. So kann man jedenfalls seine Angaben interpretieren. Im Zusammenhang mit dem „Deshler Cocktail“ (in einem späteren Teil dieser Serie) wird diese Thematik noch näher beleuchtet werden.

Die hier vorgeschlagene Rezeptur des Whiskey Cocktails basiert auf Jerry Thomas‘ 1862 erschienener Rezeptur und entspricht einem klassischen Plain Cocktail. In den mittleren Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts war der Whiskey Cocktail sehr beliebt und wurde auch fertig gemischt in Flaschen abgefüllt und verkauft.

Fancy und Improved Whiskey Cocktail

Der Plain Cocktail veränderte sich schnell. Mehr und mehr europäische Liköre wurden in Amerika erhältlich, und so wurden Absinth, Curaçao und Maraschino einzeln oder in Kombination im Cocktail verwendet. Zunächst wurde der Plain Cocktail durch Zugabe von Curaçao „fancy“ gemacht, was so viel heißt wie einfallsreich, ausgefallen, extravagant und apart. Diese Variante kennt Jerry Thomas schon 1862, wenn auch nur für Brandy und Gin.

Bei der Neuauflage seines Buches im Jahr 1876 führt er auch „verbesserte“ Rezepte auf, und so fand der Improved Cocktail Eingang in seine Sammlung. Curaçao war altmodisch geworden, man verwendete nun Maraschino und Absinth. Das bedeutet jedoch nicht, daß man Absinth nicht schon vorher als Cocktailzutat verwendet hätte: Dies geschah nachweislich schon 1843 in New Orleans. Jedoch dauerte es anscheinend bis in die 1870er-Jahre, bis diese Zubereitungsart beliebter wurde und allgemeine Verbreitung fand.

Die Geschichte des Cocktails Teil 2: Der Whiskey Cocktail
Die Geschichte des Cocktails Teil 2: Der Whiskey Cocktail
Die Geschichte des Cocktails Teil 2: Der Whiskey Cocktail

Old Fashioned: mit oder ohne Eis?

Aus dem Plain Cocktail entwickelte sich schließlich der Old Fashioned Cocktail. Man wollte statt der neumodischen Zusätze lieber den altmodischen, also „old-fashioned“, Cocktail trinken, und so wurde dieser Wunsch zum Namensbestandteil. Der Old Fashioned Cocktail war entstanden.

Jedoch ist ein Old Fashioned Cocktail etwas anderes als ein Whiskey Cocktail. Die Zutaten sind dieselben, die Zubereitung jedoch unterscheidet sich. Im Whiskey Cocktail wird Zuckersirup verwendet, im Old Fashioned Cocktail ein Zuckerstückchen, das man mit Bitters und etwas Wasser zerstößt und auflöst. Der Whiskey Cocktail wird ohne Eis serviert, der Old Fashioned Cocktail mit einem großen Stück Eis im Tumbler.

Diese Veränderung ist wohl auf die Art und Weise zurückzuführen, in der man den Cocktail zu sich nahm. Denn der Whiskey Cocktail wurde schnell getrunken, man konnte ihn deshalb ohne Eis servieren. Für den Old Fashioned Cocktail jedoch nahm man sich Zeit. Damit er sich nicht erwärmen konnte, servierte man ihn auf Eis.

Old Fashioned (moderne Interpretation)

Zutaten

6 cl Rye oder Bourbon Whiskey (nach Wahl)
1 BL Zuckersirup
1 Dash Aromatic Bitters
1 Dash Orange Bitters

Old Fashioned und der vergessene Löffel

1885 wurde der Old Fashioned Cocktail in Lafcadio Hearns Buch La Cuisine Creole erstmals publiziert, auch wenn er hier noch als „Spoon Cocktail“, also „Löffel-Cocktail“, bezeichnet wurde. Diese Bezeichnung ist durchaus sinnvoll, denn den Old Fashioned Cocktail servierte man etwa bis zum Beginn der Prohibition oft mit einem kleinen, silberfarbenen Löffel – auf diese Weise konnte man den nicht gelösten Zucker aus dem Glas löffeln. Dieser Usus ist heute in Vergessenheit geraten.

Die Bezeichnung „Old Fashioned Cocktail“ wird erstmals 1888 von Theodore Proulx in seinem Buch The Bartender’s Manual für ein Rezept verwendet. Diese Bezeichnung wurde jedoch bereits zuvor, im Jahr 1883, in einem Zeitungsartikel erwähnt, mit dem Hinweis, dass der Old Fashioned Cocktail noch immer in Mode sei. Er scheint also eine längere Vorgeschichte besessen zu haben, bevor seine Rezeptur in einem Buch erschien.

Es gibt zahlreiche Legenden, die darüber berichten, wer den Old Fashioned Cocktail erfunden hat. Viel spricht dafür, daß es in Chicago geschah. Man schreibt die Erfindung Theodore Proulx zu, aber auch Colonel Jim Gray soll es gewesen sein, genauso wie der Drink auch im Pendennis Club in Louisville das Licht der Welt erblickt haben soll. An allen Aussagen gibt es aber berechtigte Zweifel. Es wird wohl so gewesen sein, dass er sich aus dem sich beständig wandelnden Whiskey Cocktail entwickelte und sich auch später immer weiter entwickelte, beispielsweise mit dem Einsatz zerquetschter Früchte oder zusätzlicher Liköre. So entstand der Old Fashioned Cocktail in beständiger Evolution, ohne dass es einen dezidierten Erfinder gab.

Der Old Fashioned war immer schon Gegenstand von Debatten

Auch gab es nach heutiger Wissenslage von Anfang an kein eindeutiges Verständnis darüber, wie ein Old Fashioned Cocktail zubereitet werden sollte. Schon auf dem ersten Treffen der „International Association of Bartenders“ in Chicago im Jahr 1893 tauschte man sich darüber aus, wie Old Fashioned Cocktails in verschiedenen Städten mit verschiedenen Methoden zubereitet wurden.

Nach dem Old Fashioned Cocktail ist sogar ab 1900 ein Glastyp benannt worden. Das Old Fashioned Glas fasst zwischen 180 und 300 ml und besitzt einen dicken Glasboden, damit im Glas der Zucker zerstoßen werden kann.

Für den nächsten Teil dieser Serie – Brandy Crusta – brauchen wir in Kürze allerdings ein anderes Glas …

Credits

Foto: ©Sarah Swantje Fischer

Comments (2)

  • Jörg Kalinke

    Sehr schön geschrieben und hochinformativ, danke dafür. Doch in Zeiten des Seelbach Cocktail und Fakenews wäre eine Quellenangabe höchst willkommen.

    reply
    • Stefan

      Hallo Jörg,
      danke für die Anmerkung. Da es sich nicht um einen wissenschaftlichen Text handelt, verzichten wir auf Quellenangaben. Abgesehen davon, werden in dem Text ohnehin sehr viele Bezüge genannt.
      Mit besten Grüßen,
      Die Redaktion

      reply

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