Der Collins & seine Anverwandten, Teil 6: Der Garrick Club Punch
Der Garrick Club wurde 1831 in London im Theatre Royal unter Federführung von Herzog Augustus Frederick, dem Bruder des Königs, gegründet. Er sollte ein Ort sein, an dem sich Schauspieler, Schriftsteller, Kunstschaffende und kultivierte Männer treffen konnten, um „zur Regeneration des Dramas beizutragen“. Aufgenommen wird und wurde nur, wer von einem Mitglied vorgeschlagen und in einer geheimen Wahl bestätigt wurde, und Grundsatz dabei war, „dass es besser wäre, zehn nicht zu beanstandende Männer auszuschließen, als einen schrecklichen Langweiler aufzunehmen.“ Das Mitgliederverzeichnis liest sich wie ein „Who is Who“, darunter zahlreiche Barons, Counts, Dukes, Earls und Lords, aber auch Angehörige des Militärs, Parlamentarier und Richter. Viele berühmte Schauspieler, Autoren und Maler waren Mitglied, darunter beispielsweise Charles Dickens, H. G. Wells und A. A. Milne.
Stephen Price gilt als Erfinder des Garrick Club Punch
Stephen Price (siehe Titelbild) war Manager des Clubs. Er wurde 1772 in New York City geboren, studierte Rechtswissenschaften und arbeitete als Rechtsanwalt, bevor er für 31 Jahre die Leitung des Park Theatre in New York übernahm. Er reiste viel nach London und verbrachte viel Zeit in England. Zwischen 1826 und 1830 leitete er in London das Theatre Royal in der Drury Lane. Das vierte Gebäude dieses Theaters wurde 1812 eröffnet und bot rund 2.200 Zuschauern Platz. 1831 wurde Stephen Price zum Manager des Garrick Clubs bestimmt.
Es gibt unterschiedliche Meinungen über seinen Charakter. Doch man muss nach einem Studium der überlieferten Quellen feststellen, dass er ein absolut ehrlicher, zuverlässiger und ehrenvoller Gentleman war, der gerne aß und trank und die Gesellschaft gebildeter Menschen genoß. Dabei war er immer zu einem Scherz aufgelegt. In keinster Weise war er ein „schrecklicher Langweiler“, und er hatte auch zur Regeneration des englischen Dramas Wesentliches beigetragen, als Leiter der Drury Lane und auch durch die Aufführung englischer Dramen in den Vereinigten Staaten. Somit erfüllte er alle Bedingungen für die Aufnahme in den Garrick Club und war hierfür bestens geeignet.
Der Garrick Club Punch
Dort hat er den Garrick Club Punch erfunden. Zu seiner Zeit wurde er einfach nur als Gin Punch bezeichnet. Vielleicht durch Brandy and Soda dazu inspiriert, verwendete er in diesem Punch anstelle von stillem Wasser auch Sodawasser. 1836 wird im Quarterly Review ausführlich davon berichtet:
„Anstatt Punsch mit Eis zu kühlen, ist es besser, ihn mit einem Teil von eisgekühltem Soda-Wasser zu mischen.* Der Gin-Punch, der nach diesem Prinzip im Garrick Club hergestellt wird, ist eines der besten Dinge, die wir kennen, und wir nutzen diese Gelegenheit gerne, um die Ehre der Erfindung dem rechtmäßigen Patentinhaber, Herrn Stephen Price, einem amerikanischen Gentleman, zu erweisen, der in der Theaterwelt und auf der Pferderennbahn bekannt ist. Sein Anspruch wurde viel diskutiert – Grammatici certant et adhuc sub judice lis est [Der Streit ist noch unentschieden] – und viele, die von Herrn Theodore Hook’s häufiger und großzügiger Handhabung der Entdeckung irregeführt wurden, sind im Begriff, sie ihm zuzuschreiben. Aber Herr Thomas Hill, der gefeierte „Dreihundertjährige“ eines populären Liedes, der bei der ersten Begegnung von Herrn Hook mit dem Getränk anwesend war, hat die Sache durch eine kurze Schilderung der Umstände in Ordnung gebracht. Eines heißen Nachmittags im Juli letzten Jahres spazierte der unnachahmliche Autor von ‚Sayings and Doings‘ (was für ein Buch könnte man daraus machen!) in den Garrick in jenem unklaren Zustand des Durstes, der etwas mehr als das Übliche erfordert, um ihn zu löschen. Als er dieses Gefühl beschrieb, wurde ihm empfohlen, den Punsch auszuprobieren, und ein Krug wurde sofort nach der persönlichen Inspiration von Mr. Price zusammengestellt. Ein zweiter folgte – ein dritter, mit der Begleitung einiger Koteletts – ein vierter – ein fünfter – ein sechster – nach dessen Leerung Herr Hook wegging, um bei Lord Canterbury zu Abend zu essen. Er ißt immer wenig, bei dieser Gelegenheit aß er weniger, und Herr Horace Twiss erkundigte sich in einem angebrachten Ton der Besorgnis, ob er krank sei. ‘Eigentlich nicht‘, lautete die Antwort, ‘aber mein Magen wird es nicht ertragen, und ich wurde in Versuchung geführt, einen Keks und ein Glas Sherry gegen drei Uhr zu nehmen. …‘ … * Gieße ein halbes Pint Gin auf die äußere Schale einer Zitrone, dann ein wenig Zitronensaft, Zucker, ein Glas Maraschino, ungefähr eineinviertel Pint Wasser, und zwei Flaschen geeistes Sodawasser. Das Ergebnis wird drei Pint des betreffenden Punsches sein.“
Die illustren Theodore Hook und Thomas Hill
Auch Theodore Hook und Thomas Hill waren Mitglieder des Clubs. Ersterer galt als Playboy und war Journalist, Romanautor und Komponist, der in seiner Zeit als ein mit Dante Alighieri vergleichbares Genie galt. Er wurde als heiter und unwiderstehlich, spontan und originell charakterisiert, jederzeit zu einem „praktischen Witz“ bereit – und als solcher war er verantwortlich für den berühmten Berners Street Hoax. Letzterer war in der Welt der Literatur und vor allem des Theaters bekannt, als ein Bonvivant, der sich in allen Dingen auskannte, sei es merkantil, politisch, modisch, literarisch oder theatralisch.
Das Neuartige des Garrick Club Punch
Das Neuartige des Gin Punch aus dem Garrick Club war die Verwendung von Sodawasser. Durch die Veröffentlichung des Rezeptes verbreitete er sich schnell. Er kennzeichnet gewissermaßen den Übergang zwischen einem Punch und einem modernen Longdrink, und bildet gemeinsam mit dem Stone Fence und dem Brandy and Soda gewissermaßen dessen Ursprung.
Neuartig an der Verwendung von Sodawasser im Punch war der Gedanke, dass man etwas hinzugab, das man eigentlich erst am nächsten Tag, bei einem Kater, nach dem Genuß von zu viel Alkohol zu sich nahm. Soda hatte den Ruf, gewissermaßen ein Gegengift zu einem Punch zu sein, nicht jedoch sein Begleiter. Dies berichtet beispielsweise auch ein 1836 erschienenes Gedicht mit dem Titel „Oxford, by Day and Night“, in dem es um trinkende Studenten geht: „Die geistige Medizin, mit der man zukünftige Krankheiten bekämpft, ist Brandy, Whisky, Gin oder Rum! Kopfschmerzen und Herzschmerzen, mit Stolz verachtend. Was kann solch gottähnliche Jugendliche erschrecken; Denn wenn man morgens fiebrig ist, hilft einem Sodawasser.“
„The spiritual medicine too
With which you fight off ills to come
Is brandy, whiskey, gin, or rum!
Head-ache, and heart-burn, proudly scorning.
What can such God-like youths affright;
For if you’re feverish in the morning,
Why soda water sets you right.“
Welcher Gin ist der richtige?
Oft wird diskutiert, welcher Gin wohl für einen Collins verwendet wurde, und gleiches gilt auch für dessen Vorläufer, den Garrick Club Punch. Diese Diskussion ist einen eigenen Beitrag wert, doch eigentlich ist die Frage, ob nun ein Old Tom Gin oder ein Dry Gin verwendet wurde, hinfällig. Da Zitronensaft ein Bestandteil eines Punch ist, muss er mit Zucker ausbalanciert werden. Bei Verwendung eines gesüßten Old Tom Gins wird man weniger hinzugeben müssen, bei einem Dry Gin hingegen mehr. Das ist eigentlich alles, worauf es ankommt.
Ein Gesichtspunkt bei dieser Diskussion wurde anscheinend bisher nicht beachtet. Der Garrick Club Punch und auch der Collins aus dem Limmer‘s Hotel wurden von der höheren Gesellschaft getrunken, von Personen, die es sich leisten konnten und wollten, einen besseren Gin zu trinken. Anstelle eines gepanschten, billigen und gesüßten Gins also einen ungesüßten, bei dem Fehlaromen nicht verborgen werden mußten, und der gesundheitlich unbedenklicher war. Dass sie dies taten, belegt eine Anzeige des Jahres 1843 in einer walisischen Zeitung. Dort wird um das Interesse des Adels, der Oberschicht und der Öffentlichkeit im Allgemeinen geworben und insbesondere für die Zubereitung von Mischgetränken ein ungesüßter Gin angeboten: „unsweetened gin for mixing.“
Der Gin Punch aus dem Garrick Club war jedenfalls die Inspiration für den Collins, der wohl in jenem Limmer‘s Hotel entstand. Doch darüber im nächsten Teil der Serie mehr.
Die Geschichte des Collins & seiner Anverwandten
Teil 1: Sodawasser & Bäderkultur
Teil 2: Künstliches Sodawaser & Limonade
Credits
Foto: The New York Public Library, Digital Collections